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Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Interview mit einem Erbsenzähler – Andreas G. Heiss über Archäobotanik

15. November 2016

Nachdem das Thema Archäobotanik nun schon in einigen Blogposts aufgetaucht ist, scheint es an der Zeit für ein Posting dazu, worum es in der Archäobotanik genau geht. Also haben wir ein Interview mit einem echten Erbsenzähler gemacht! Das, was Andreas G. Heiss uns über seine Arbeit als Archäobotaniker  am Österreichischen Archäologischen Institut erzählen kann, ist ziemlich spannend und trägt ganz wesentlich dazu bei, dass wir uns ein besseres Bild vom Leben der Menschen in prähistorischer Zeit machen können.

Löw: Andreas, wie muss man sich Deine Arbeit vorstellen? Was machst Du genau?

Heiss: Die Archäobotanik dreht sich um die Wechselbeziehung von Mensch und Pflanze in der Vergangenheit. Und genauso vielfältig wie die Rollen von Pflanzen in menschlichen Gesellschaften waren und sind – Nahrung, Genussmittel, Bau- und Brennmaterial, Werkstoff, Heil- und Zaubermittel – so vielfältig sind auch die Fragestellungen in der Archäobotanik. In den meisten Fällen kümmern wir uns darum, anhand archäologischer Pflanzenreste aus Ausgrabungen und in Zusammenarbeit mit Archäologie, Zoologie, Sedimentologie und anderen Disziplinen dazu beizutragen, das Bild einer vergangenen Lebenswelt besser zu gestalten. Wir helfen bei der Projektplanung, begleiten die Ausgrabungen, wenn wir können, beraten bei der Probenentnahme und der Gewinnung der Pflanzenreste. Der zumindest zeitlich aufwändigste Teil archäobotanischer Arbeit besteht danach meist im Auslesen und Bestimmen dieser archäologischen Pflanzenreste. Das allein kann durchaus schon Wochen und Monate in Anspruch nehmen.

Löw: Dann zählst Du also wirklich manchmal Erbsen?

Heiss: Nun ja, wenn welche vorhanden sind, schon (lacht). Aber um nochmals auf unsere Arbeit zurückzukommen: Das Auslesen und Bestimmen verursacht zwar den größten Zeitaufwand. Aber die daraus gewonnene Artenliste ist eigentlich erst der Beginn, die Voraussetzung, um die Fragen zu beantworten, die an die Archäobotanik gestellt werden. Warum war eine Pflanze zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort (und wie ist sie dort hingelangt)? Wozu und wie wurde sie genutzt? Wie und wo wurde sie verarbeitet? Welche Bedeutung hatte sie für die Menschen?

Löw: Entnimmst Du die Proben immer selbst?

Heiss: Eher selten, dafür fehlt einfach oft die Zeit. Meist berate ich das Grabungsteam auch einfach vorher, worauf sie bei der Probenentnahme achten müssen. So habe ich es auch bei der Unterwasser-Ausgrabung in Seewalchen und Weyregg gemacht. Ich habe zwar auch einen Tauchschein, aber ich fand nicht unbedingt sinnvoll, da selbst mitzutun. Mir fehlt ja die Erfahrung als Unterwasserarchäologe. Anhand von Bild- und Videomaterial und in Diskussionen mit der Tauchequipe habe ich mir einen guten Eindruck von der Situation vor Ort verschaffen können und anschließend die Forschungstauchmannschaft beraten, wie sie in diesem Kontext am effizientesten Proben entnehmen können.

Löw: Worauf muss man denn bei der Entnahme von Sedimentproben besonders achten?

Heiss: Grundsätzlich ist bei archäobotanischem Material immer das Problem, dass man den Sedimenten vor Ort gar nicht ansieht, ob und wie viele Pflanzenreste darin enthalten sind. Denn die meisten Pflanzenreste sind oft nicht größer als einen oder einen halben Millimeter. Die Reichhaltigkeit einer Probe – und damit ihr Informationsgehalt – zeigen sich dann erst nach dem Probenaufschluss im Labor. Und gerade Feuchtbodensedimente sind üblicherweise sehr, sehr reich an archäologischen Pflanzenresten. Es ist nicht ungewöhnlich, in einem Liter Sediment mehrere Tausend Reste zu finden, wenn die Erhaltungsbedingungen gut sind. Unterschiedliche Schichten und Aktivitätsbereiche müssen dennoch in ausreichender Menge beprobt werden, um ein möglichst komplettes Bild der Fundstelle erstellen zu können. In Trockenbodengrabungen (quasi fast alles an Land) sieht es mit der Funddichte dann dramatisch anders aus: dort muss man eher damit rechnen, dass nicht mehr als 5 bis 20 Pflanzenreste pro Liter zu finden sind. Dort muss dann mit deutlich größeren Probenvolumina (10 bis 40 Liter je Probe) gearbeitet werden. Dafür ist die Probenentnahme zumindest nicht so aufwändig wie unter Wasser.

7) Hast Du die Proben aus Seewalchen und Weyregg schon ausgewertet?

Meine Kollegin Marie-Claire Riess und ich haben schon einen Einblick in das Material aus Seewalchen gewinnen können. Der Beginn war recht zeitaufwändig, weil viel Material darin enthalten ist, und man sich erst einmal einen Überblick verschaffen muss. Es fand sich schon in den ersten Proben ein breites Spektrum von Pflanzenresten: Druschreste von Spelzweizenarten, dazu Mohn- und Flachssamen, sowie sehr, sehr viele Wildpflanzen. Anhand dieser ersten Sondierungen haben wir mit dem Grabungsteam an der Weiterentwicklung der Beprobungsstrategie für Weyregg und künftige Kampagnen gearbeitet. Vor allem deswegen bin ich unglaublich gespannt, was das Weyregg-Material nun mit sich bringen wird. Was als wichtige Perspektive bleibt, ist in jedem Fall auch das Heranziehen zusätzlicher ExpertInnen für weitere Fundkategorien: So fanden sich zahlreiche Reste von Insekten in den Proben aus Seewalchen, die sicherlich auch von Interesse sind, um die Umwelt und Lebensbedingungen der SiedlerInnen zu rekonstruieren.

9) Wie wichtig sind die Daten aus unseren Unterwassergrabungen für die Forschung im Allgemeinen?

Sie sind sogar außerordentlich wichtig! In erster Linie, weil die Erhaltungsbedingungen in Seesedimenten so besonders gut sind und diese einen immensen Schatz umweltarchäologischer Daten bergen. Auch für die Erforschung der Region sind sie von enormer Bedeutung, denn dort gilt es beispielsweise die Landwirtschaft während des Bestehens der Seeufersiedlungen (Endneolithikum und Frühe Bronzezeit) zuverlässiger rekonstruieren zu können. Feuchtbodengrabungen mit bioarchäologischem Schwerpunkt sind in Österreich leider generell bislang sehr selten durchgeführt worden, es gibt daher erst wenige Fundstellen. Und diese sind meist auch nur wenig ergraben. In der Schweiz und in Deutschland hingegen haben mehrere Teams, unter anderem in Basel und Hemmenhofen, nach teils jahrzehntelanger Arbeit schon großartige Ergebnisse zu den Seeufersiedlungen z.B. im Bodensee und im Zürichsee vorgelegt. Man darf optimistisch sein, dass wir hier aufbauend auf den Erfahrungen in Seewalchen und Weyregg in den kommenden Jahren ähnlich gute Strukturen und Kompetenzen werden aufbauen können. Und natürlich auch, dass wir am Know How unserer KollegInnen ein wenig werden teilhaben dürfen.

Zugehöriges Projekt


Forschungen in den Seeufersiedlungen in Attersee und...
Andreas G. Heiss (Bild: A. G. Heiss)

Andreas G. Heiss ist Archäobotaniker am Österreichischen Archäologischen Institut.

Carmen Löw ist Archäologin und Kommunikationsexpertin. Im Kuratorium Pfahlbauten kümmert sie sich unter anderem um die Redaktion des Pfahlbauten-Weblogs.

Die vier gröberen Fraktionen (von links: 4 mm, 2 mm, 1 mm, 0,5 mm) einer Probe aus Seewalchen nach dem nass Sieben (Schlämmen). Zumindest die Hölzer stechen auch ohne Mikroskop schon ins Auge.
Die vier gröberen Fraktionen (von links: 4 mm, 2 mm, 1 mm, 0,5 mm) einer Probe aus Seewalchen nach dem nass Sieben (Schlämmen). Zumindest die Hölzer stechen auch ohne Mikroskop schon ins Auge.
Andreas Heiss, Archäobotaniker des ÖAI, bei der Arbeit.
Andreas Heiss, Archäobotaniker des ÖAI, bei der Arbeit.
Forschungstaucherin Esther Unterweger bei der Entnahme einer Sedimentprobe aus der Kulturschicht.
Forschungstaucherin Esther Unterweger bei der Entnahme einer Sedimentprobe aus der Kulturschicht.
Die Probe wird bereits unter Wasser verschlossen und erst im Labor wieder geöffnet.
Die Probe wird bereits unter Wasser verschlossen und erst im Labor wieder geöffnet.
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