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Eine urnenfelderzeitliche Uferverbauung im Attersee? Zeitensprung 2023

29. November 2023

Nachdem die Seeufersiedlungen Abtsdorf I, II und III im Attersee schon länger bekannt sind, machten wir im Jahr 2015 eine unerwartete Neuentdeckung: Auf Luftbildern der sogenannten Teufelsbrücke bei Altenberg konnten wir rechteckige Strukturen erkennen, die wir in den nachfolgenden Jahren durch kleinere Prospektionen unter Wasser entdecken konnten. Es handelte sich tatsächlich um verschiedene Hölzer, die sogar aus unterschiedlichen Zeiten stammen. Ein Holz weist eine Datierung um ca. 2300 v. Chr., ein anderes eine um 850 v. Chr. auf. Diese weit auseinander liegenden Zeitstellungen sind interessant, da damit möglicherweise weitere, als die bereits bekannten Besiedelungsphasen, der Fundstellen in Abtsdorf erfasst werden könnten.

Im Jahr 2023 war es dann endlich soweit: Drei Wochen lang konnten wir während unserer diesjährigen Forschungsgrabung im Projekt Zeitensprung am und im Attersee tätig sein. Mitte November, wurden die Feld- und Unterwasserarbeiten erfolgreich beendet.

Bevor wir einige erste Ergebnisse vorstellen, möchten wir uns ganz herzlich bei allen helfenden Händen bedanken. Die vom Union Yachtclub Attersee zur Verfügung gestellte Logistik war sowohl für den Ausgrabungsbetrieb als auch für unseren Tag der offenen Grabung von entscheidender Bedeutung für ein gutes Gelingen. Die Freunde der Archäologie luden uns in den Atarhof ein und bewirteten uns während eines Vortrags mit Pfahlbaueintopf. Der Seegasthof Anneliese direkt vor der Fundstelle stellte uns seine Räumlichkeiten für einen öffentlichen Abendvortrag zum Fortschritt der aktuellen Ausgrabungen zur Verfügung.

Wir können auf jeden Fall zufrieden sein mit der diesjährigen Kampagen. Alle gesteckten Ziele sind erreicht und alle Mitarbeiter:innen wieder gesund zu Hause. Und nun beginnt die Phase der Nachbearbeitung und Auswertung.

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Während der Grabungszeit wurde zuerst eine größere Fläche untersucht, um weitere Hölzer und eventuelle Kulturschichtreste zu finden. Diese Arbeiten wurden bereits im Beitrag „Auf der Suche nach dem Holz“ ausführlich vorgestellt. Im für uns interessanten Areal konnten wir leider keine Pfähle und auch keine „in situ“ Kulturschichtreste im Seeboden um die Holzfunde entdecken. Dafür sind ein mächtiger Balken (Abb. 1) und mehrere dünnere liegende Hölzer (Abb. 2) zu Tage gekommen. Die schmaleren Hölzer bestehen aus deutlich weicherem Material und liegen in unterschiedlicher Ausrichtung. Je nach Erhaltungszustand des Holzes haben wir hier Proben für Radiokarbon- oder Dendrodatierungen entnommen.

Unsere Ausgrabungen konzentrierten sich vor allem auf das Holz, das wir als „Hauptbalken“ ansprachen. Es war in mehreren Luftbildern und der Geophysik sichtbar geworden und datiert auf die Zeit um 850 v. Chr. Wir konnten es auf einer Länge von 14 m freilegen und mindestens zwei weitere Meter im Seeboden sondieren.  An seiner breitesten Stelle misst es stolze 60 cm. Die Oberseite des Balkens ist relativ eben, die Unterseite halbrund (Abb. 3). Es handelt sich also um einen der Länge nach gespaltenen Baumstamm. Nicht nur die Längsspaltung beweist, dass er von Menschenhand bearbeitet wurde, sondern auch zahlreiche Bearbeitungspuren am Stamm selber.

Auffällig sind eine größere und eine kleinere Ausnehmung im Holz (Abb. 4). An diesen Stellen waren sicherlich seitlich abgehende Hölzer angebracht. Diese seitlichen Hölzer waren allerdings nicht mehr direkt vorhanden, wir konnten sie aber durch eine Verfärbung im Sediment wie einen Negativabdruck erkennen (Abb. 5). Des Weiteren ist der Hauptbalken auf einer Länge von ca. zwei Metern abgeschrägt und evtl. mit einer Nut versehen worden.

Während der Ausgrabung eines Teilstücks des Hauptbalkens erkannten wir, dass sich auf seiner östlichen Seite eine Schotterlage befand. Diese Steinlage war westlich vom Balken nicht vorhanden. Zudem kam Fundmaterial ausschließlich auf der östlichen, der Halbinsel zugewandten Seite zu Tage.

Natürlich haben wir uns erste Gedanken zu einer möglichen Interpretation der Holzkonstruktion des Balkens gemacht. Auf Grund der unregelmäßigen Form, der groben Bearbeitung des Holzes und der unterschiedlichen Schichtzusammensetzungen westlich und östlich des Balkens halten wir nach momentanem Stand eine ehemalige Uferbefestigung für wahrscheinlich. Die östlich gelegene Halbinsel lag früher teilweise trocken, so dass eine Uferverbauung zur Wasserfläche nötig gewesen sein könnte, um Bauten auf dem Plateau zu schützen. Auf diese Art konnten die frühen Siedler:innen eine fortschreitende Erosion des Ufers verhindern.

Denkbar ist auch, dass sich dort in dieser geschützten Bucht eine Art Hafen oder Anlegestellen befunden haben. Demnach legt die Uferverbauung eine bisher unbekannte, jüngere Siedlungsphase auf der ehemaligen Halbinsel von Abtsdorf nahe, die zeitlich mit der urnenfelderzeitlichen Besiedlungsphase des nahen Buchbergs in Verbindungen stehen könnte. Die Datierung des Balkens in das 9. Jh. v. Chr. steht ganz am zeitlichen Ende der Urnenfelderkultur und damit dem Ende der Bronzezeit überhaupt.

Zum Grabungsende verfüllten wir den Schnitt mit dem ausgeschlämmten Aushubmaterial und deckten ihn mit unseren bewährten Erosionsschutzmatten aus Basalttextil ab (Abb. 6). In der folgenden Zeit stehen erste dendrologische Untersuchungen des Hauptbalkens (Abb. 7), sowie weitere Altersbestimmungen der verschiedenen anderen Hölzer auf dem Programm.

Insgesamt bleibt dies ein sehr spannender Ort mit Fundstellen aus verschiedenen Zeiten, deren Geheimnisse noch lange nicht alle gelüftet sind. Nach den Untersuchungen der Universität Wien im „Beyond Lake Villages“ Projekt, im Zuge dessen eine jungsteinzeitliche Siedlung in Lenzing sowie eine bronzezeitliche Besiedlung am Kronberg entdeckt wurden, ist zu vermuten, dass sich im Nord-Westen des Attersees noch weitere Fundstellen verbergen. Unsere diesjährige Ausgrabung im Rahmen des Projekts „Zeitensprung“ trägt ein weiteres Puzzleteil bei, um die urgeschichtliche Landschaft am Attersee genauer zu erfassen. Wir sind gespannt, was die weiteren Auswertungen zeigen und wie es im Jahr 2024 weiter gehen wird.

 

Projektinfo:

Das Projekt „Zeitensprung“ ist Teil einer groß angelegten Forschungsinitiative, die infolge der Aufnahme von 111 internationalen Fundstellen in die Welterbeliste (UNESCO World Heritage Prehistoric Pile Dwellings around the Alps) initiiert wurde. Die Pfahlbauforschung war in Österreich zuvor lange vernachlässigt worden und steht nun hinter der internationalen Forschung deutlich zurück. Mit neuen und innovativen Methoden sollen die Kenntnisse zu den österreichischen urgeschichtlichen Siedlungen in Seeuferbereichen am Attersee und Mondsee rasch erweitert werden. Die Forschungsergebnisse werden in eine oberösterreichische Ausstellung zum Thema „Pfahlbauten“  einfließen.

Die Projektleitung liegt bei Dr. Jutta Leskovar – Oberösterreichischen Landes Kultur GmbH (jutta.leskovar@ooelkg.at) und Mag. Cyril Dworksy (dworsky@pfahlbauten.at) – Kuratorium Pfahlbauten.

Zugehöriges Projekt


Forschungen in den Seeufersiedlungen in Attersee und...

Henrik Pohl ist als Site Manager des Kuratoriums Pfahlbauten in Oberösterreich für das UNESCO-Welterbe der Prähistorischen Pfahlbauten zuständig.

Helena Seidl da Fonseca arbeitet seit 2012 beim Kuratorium Pfahlbauten. Sie ist ausgebildete Forschungstaucherin und Grabungsleiterin im Forschungsprojekt Zeitensprung.

Abdecken des Grabungsschnitts mit Erosionsschutzmatten ©Henrik Pohl - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
Probe des Hauptbalkens für weitere Untersuchungen ©Henrik Pohl - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
Der Hauptbalken im Grabungsschnitt © Henrik Pohl - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
Schmaleres Rundholz im Schnitt B 24 © Stefan Krojer - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
Nordprofil des freigelegten Hauptbalkens ©Markus Hochhold - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
Breiteste Stelle des Hauptbalkens mit Ausnehmung ©Henrik Pohl - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
Verfärbungen als Nachweis von ursprünglich dort befindlichen Hölzern ©Markus Hochhold - Kuratorium Pfahlbauten und OÖ Landes-Kultur GmbH
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Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

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