13.04.2024 - 14:30

Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Holzerhaltung unter Wasser

6. Oktober 2016

Normalerweise werden organische Bestandteile aus archäologischen Fundstellen innerhalb von wenigen Wochen bis Jahren vollständig abgebaut. Passieren tut das durch die unzähligen Bakterien, Pilze und Tiere, die diese Materialien quasi auffressen. Was macht nun aber die Bedingungen in den Seeufersiedlungen so besonders, dass wir dort von organischem Fundgut geradezu überschwemmt werden?

Des Rätsels Lösung liegt in den lebensfeindlichen Bedingungen, die an den Fundstellen herrschen. In diesem konstant feuchten Milieu unter sauerstoffarmen und kühlen Bedingungen bietet sich diesen Organismen keine Lebensgrundlage. Sie können daher kaum bis gar nicht gedeihen, was den Zersetzungsprozess derart verlangsamt, dass uns auch noch nach tausenden Jahren Pflanzenreste, die Pfähle der Pfahlbausiedlungen und fragile Textilien erhalten geblieben sind. Je schneller diese Materialen von Sedimenten bedeckt und damit luftdicht eingeschlossen werden, desto besser.

Die Uhr beginnt zu ticken, sobald die Fundstücke freigelegt werden, sei es durch Erosion oder bei der Grabung. Dann sind sie den sie zersetzenden Organismen wieder ausgeliefert und laufen auch Gefahr, durch Strömungen fortgespült zu werden. Nicht umsonst sind unsere ForschungstaucherInnen beim Abgraben einer neuen Schicht immer von einem Schwarm von Barschen umgeben, die sich die aufgewühlten Leckerbissen nur zu gerne schnappen. Umso wichtiger ist daher die professionelle Ausgrabung der Fundstellen, deren richtige Absicherung und regelmäßige Kontrolle.

Aber nicht nur die äußeren Bedingungen sondern auch der Aufbau und die Zusammensetzung des organischen Materials selbst haben Auswirkungen auf die Erhaltung unter Wasser. Je nachdem, aus welchen Substanzen eine Pflanze aufgebaut ist, kommt es zu einem unterschiedlich starken Teilabbau. Besonders wasserlöslich sind die meisten Inhaltsstoffe der Zellen, vor allem Zucker, Eiweiß und Stärke. Am widerstandsfähigsten hingegen erweisen sich verholzte Pflanzenteile sowie solche Teile, die Steinzellen enthalten, also zum Beispiel Obstkerne oder Haselnussschalen. Diese bringen unsere TaucherInnen jeden Tag sehr zahlreich zu uns ans Ufer.

Das zeigt uns aber, dass es auch unter den sehr guten Erhaltungsbedingungen unter Wasser zu einer Erhaltungsselektion kommt. Das wird auch deutlich, wenn man verschiedene Holzarten miteinander vergleicht. Besonders dauerhaft im Wasser haltbar ist die Eiche, aber auch die Esche und Nadelhölzer wie Tannen und Fichten zählen dazu. Darum bauen auch die bis jetzt aufgestellten und für die Datierung so wichtigen Dendrokurven auf diesen Hölzern auf. Weniger gut haltbar sind dagegen Weichhölzer wie Pappeln und Weiden. Der unterschiedliche Erhaltungszustand der Hölzer wird schon bei ihrer Bergung sowie bei ihrer Säuberung und Dokumentation deutlich.

Wir sehen also, gerade die kleinsten und unscheinbarsten Funde liefern das Potential für die wertvollsten Erkenntnisse über die tatsächlichen Lebensbedingungen der Menschen von damals. Dazu zählen auf jeden Fall die organischen Materialien aus den Seeufersiedlungen, die uns Geschichten von der Umwelt, den Lebens- und Essgewohnheiten und dem Gesundheitszustand ihrer BewohnerInnen erzählen.

Zugehöriges Projekt


Forschungen in den Seeufersiedlungen in Attersee und...

Sophie Habinger studiert seit 2012 Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universität Wien.

Doris Jetzinger studiert Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universität Wien und ist seit 2016 im Projekt Zeitensprung in der Fundbearbeitung der Unterwasser-Ausgrabungen tätig.

In der oberen Kulturschicht wurden viele Haselnüsse gefunden (Bild: Kuratorium Pfahlbauten).
In der oberen Kulturschicht wurden viele Haselnüsse gefunden (Bild: Kuratorium Pfahlbauten).
Die geborgenen Pfähle werden vor der Konservierung noch genau vermessen und dokumentiert. (Bild: Kuratorium Pfahlbauten)
Die geborgenen Pfähle werden vor der Konservierung noch genau vermessen und dokumentiert. (Bild: Kuratorium Pfahlbauten)
Nicht nur fragile Objekte, sondern auch mächtige Pfähle und liegende Hölzer haben sich unter Wasser erhalten. (Bild: Kuratorium Pfahlbauten)
Nicht nur fragile Objekte, sondern auch mächtige Pfähle und liegende Hölzer haben sich unter Wasser erhalten. (Bild: Kuratorium Pfahlbauten)
Beeindruckend ist auch der Fund dieses Blattes, das die Jahrtausende im Seegrund überstanden hat. (Bild: Kuratorium Pfahlbauten)
Beeindruckend ist auch der Fund dieses Blattes, das die Jahrtausende im Seegrund überstanden hat. (Bild: Kuratorium Pfahlbauten)
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Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

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Das UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ wird unterstützt durch: