13.04.2024 - 14:30

Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Gatschsichtig

13. Oktober 2015

Braun, Grau, Schwarz und alle Schattierungen, die dazwischen liegen - das sind die Farben, die ich sehe, wenn ich an jenen Abenden die Augen schließe, an denen ich zum Funde-Sieben eingeteilt war. Berufsblind würde mancher sagen. Ich sage dazu „gatschsichtig“. Man stelle sich vor: Eine Küche im Strandbad Seewalchen, verschiedenste Applikationen an den Waschbecken, das gelegentliche Zischen der Airbrushpistolen, welche unsere Restauratorinnen vom Oberösterreichischen Landesmuseum für den Feinputz zu Hilfe nehmen, ein vom Schlamm gefärbter Fußboden und dort an dem zweiten Waschbecken von links, da stehe ich - gebeugt über ein Sieb, das gefüllt ist mit dem, was ein normaler Mensch als „Gatsch“ oder „Schlatz“ bezeichnen würde.

Was ich da mache? Meist gebe ich mein Bestes, um zwischen Holzresten, Seekreide, Algen, Muscheln, orangenem Gatsch und gewöhnlichen Steinen jene Parts dieses nach Fisch und See riechenden Mischmasches auszumachen, die uns helfen könnten, dem Leben der prähistorischen Menschen auf den Grund zu gehen. Auf jenen Grund, den eben diese Menschen vor mehreren tausend Jahren verursachten, in dem sie ihren Müll einfach in den Attersee kippten. Wie aus meiner bisherigen Beschreibung schon hervorgeht, handelt es sich hier meistens nicht um Pfeilspitzen, Beilklingen und sonstige Funde von Museumsqualität. Kleine bis mittelgroße Keramikfragmente und Silex-Abschläge, die selbst von den Ur-Atterseern als wertlos betrachtet wurden, haufenweiße kleine Hölzer und organische Hinterlassenschaften, wie winzige Körner und kleine Knochensplitter, füllen meine Fundbehälter.

Warum ich mir das alles antue? Stundenlanges gebücktes Stehen in feuchter bis nasser Umgebung mit einem Geruch in der Nase, der einen glauben lassen könnte, man befinde sich in einem Schiffswrack aus siebzehnhundertschlagmichtot und alles nur, um Dreck von Dreck zu trennen? Hier die Antwort: Ich bin in Keutschach aufgewachsen und damit eben auch mit einem dieser in den Seen versteckten UNESCO-Welterbe, die mich mehr und mehr faszinieren, je mehr ich darüber lerne. Jeder Splitter Silex, jedes noch so kleine Körnchen, jedes Fragment der weiß gesprenkelten Keramik, welches ich aus dieser braunschwarzgrauen Suppe ziehe, schickt mich auf eine kleine Zeitreise - zurück in die Zeit, als ein Mann oder eine Frau dort saß, wo jetzt der Sprungturm steht und sich Pfeile zurichtete; zurück in eine Zeit, als Kinder mit den Alten um ein Feuer saßen und sich eine Schale Haselnüsse teilten während Geschichten erzählt wurden. Und das, was sie übrig ließen, trenne ich nun von der Materie, die mich „gatschsichtig“ macht.

Zugehöriges Projekt


Forschungen in den Seeufersiedlungen in Attersee und...

Der Keutschacher Marco Prehsegger ist mit einer der Pfahlbausiedlungen, die zum UNESCO-Welterbe gehören, aufgewachsen. Nun studiert er Urgeschichte in Wien.

Fundmaterial aus der Grabung in Seewalchen am Attersee. (Bild: H. Pohl - Kuratorium Pfahlbauten)
Fundmaterial aus der Grabung in Seewalchen am Attersee. (Bild: H. Pohl - Kuratorium Pfahlbauten)
Marco Prehsegger beim Sieben der Funde. (Bild: H. Pohl - Kuratorium Pfahlbauten)
Marco Prehsegger beim Sieben der Funde. (Bild: H. Pohl - Kuratorium Pfahlbauten)
Blick hinter die Kulissen: Die Fundreinigung. (Bild: H. Pohl - Kuratorium Pfahlbauten)
Blick hinter die Kulissen: Die Fundreinigung. (Bild: H. Pohl - Kuratorium Pfahlbauten)
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