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Ein didaktisches Hausmodell zur Pfahlbaukultur des Jungneolithikums

9. März 2020

Bis zum heutigen Tag kennen wir keinen dokumentierten gesicherten Hausbefund zur Pfahlbaukultur aus den Gebieten des heutigen Österreichs. Durch die archäologischen Ergebnisse unserer Nachbarländer wissen wir jedoch, dass die Holzbauten in ihren Konstruktionstechniken und ihren regionstypischen Ausführungsvarianten sehr vielfältig waren.

Um diese Vielfalt darzustellen und interessierten Besucher*innen nahe zu bringen, wurde nun ein interaktives, didaktisches Hausmodell im Maßstab 1:8 angefertigt. Dazu wurde auf einen jungneolithischen Gebäudebefund vom westlichen Bodensee zurück gegriffen, der sowohl von seinen Dimensionen her als auch in Hinsicht auf seine holztechnischen Merkmale als typisch für die Zeit der Pfahlbauern gelten kann.

Geschichte im Boden

Der Boden kann mit einem großen Geschichtebuch oder mit einem Archiv verglichen werden, welches Seite für Seite, Schicht für Schicht gelesen werden kann. Dies ist jedoch nur dem Fachmann im Zuge einer archäologischen Ausgrabung möglich. Wird die Befundlage nicht genauestens dokumentiert und werden die archäologischen Bodenschichten zerstört, geht das Archiv unwiederbringlich verloren. Ein Fund ohne Fundort ist für den Forscher nur bedingt interessant, da nahezu 90 Prozent der archäologischen Information aus den Fundumständen, aus den Stratigraphien der Fundstellen gezogen wird. Erst durch die relative Lage der Erdschichten, in denen die Funde auftauchen, kann der Fund als historische Quelle erschlossen und zum Sprechen gebracht werden.

Durch die unterschiedliche Haltbarkeit der einzelnen Materialien im Boden ist das Spektrum der archäologischen Funde meist auf Gegenstände aus Ton, Stein, Bein, Glas usw. reduziert. So erhalten wir in der Regel ein sehr einseitiges Bild von der materiellen Hinterlassenschaft der vergangenen Zeiten. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass in der Vergangenheit mehr als 90 Prozent der hergestellten und benutzten Gegenstände, Gerätschaften und Kleider aus organischen Materialien, wie Holz, Bast, Rinde Pflanzenfasern, Stroh, Tierhäuten oder Haaren usw. angefertigt worden sind, die im Boden kaum längere Zeit überdauern können.

Baumaterialien urgeschichtlicher Häuser

Bei einem Großteil der ur- und frühgeschichtlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude dienten organischen Materialien (vor allem Holz) als Baumaterialien, die im Boden nur sehr selten angetroffen werden können. An manchen Fundstellen haben sich durch spezielle Bedingungen aber auch diese organischen Reste im Boden erhalten, wie z. B. in Brunnen, im Eis, im Salz oder im Feuchtbodenmilieu, wie wir es bei Pfahlbauten oft antreffen. Für die Rekonstruktion von urgeschichtlichen Gebäudetypen ist die archäologische Erforschung von Fundstellen mit Erhaltung von organischen Materialien eine wichtige Voraussetzung.

Derartige Fundstellen erlauben Einblicke in die urzeitliche Holztechnologie und geben Aufschluss, wie sich einzelne Arbeitstechniken über Jahrhunderte hinweg verändert haben. Im Normalfall können Gebäude archäologisch nur nachgewiesen werden, wenn sie oder Teile ihrer Konstruktion in den Boden eingetieft wurden, wie dies bei Grubenhäusern und Pfostenbauten der Fall war, oder wenn Teile ihrer mit Lehm verstrichenen Flechtwerkwände durch Feuer zerstört wurden und so zu „Hüttenlehm“ verziegelten. Gelegentlich lassen sich aus Grabungsbefunden vollständige Hausgrundrisse erschließen und nur selten erstreckt sich die archäologische Information darüber hinaus.

Ein idealisiertes didaktisches Hausmodell zur Pfahlbaukultur nach einem archäologischen Vorbild von Hornstaad am Bodensee im Maßstab 1:8

Im Jahr 1996 wurde im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen ein Architekturmodell des Hausbefundes von Hornstaad in Originalgröße errichtet. Die Dimensionen der Pfahlsetzungen betrugen dabei etwa 9,2 m auf 4,3 m, die Ausdehnungen des gesamten Hausobjekts lagen bei ca. 10,3 m auf 4,6 m. Dieser Rekonstruktionsvorschlag diente im Wesentlichen als Vorbild für das vorliegende verkleinerte Hausmodell, welches im Maßstab 1:8 gebaut wurde. Allerdings wurde die Konstruktion aus museumspädagogischen Gründen etwas idealisiert und so gestaltet, dass die aufgehende Konstruktion aus Rundhölzern von Menschen jeder Altersgruppe - Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - zusammengefügt werden kann.

Grundsätzlich soll das Modell vor allem didaktisch wertvoll sein. Wichtig ist, dass die Grundprinzipien des Holzbaus im Pfahlbaumilieu verständlich erlebt werden können. Außerdem sollte das Hausmodell so weit als möglich selbsterklärend sein. Das Modell zeigt die Hauptkonstruktion des Gebäudes, wobei sowohl eine bodennahe als auch eine höher gelegte Plattformvariante möglich ist. Für die Wandfüllungen gibt es mit Spaltbohlen oder Flechtwerkwänden zwei Varianten,  bei der Dachdeckung mit Dachschindeln oder Schilf ebenso. Das Modell ist aus Fichtenrundstäben mit extrem gerade gewachsenen Fasern angefertigt, wobei unterschiedliche Durchmesser von 1 cm bis 2,8 cm verwendet werden. Die Maße der Durchmesser entsprechen dabei bei einem Maßstab von 1: 8 relativ gut den Originalbauhölzern mit Durchmessern von etwa 8 cm bis 17 cm. Die unterschiedlichen Stäbe erleichtern den Besuchern auch das Zusammenbauen. Alle Bauhölzer wurden normiert gearbeitet, so dass gleiche Teile an jeder Stelle verbaut werden können. Die einzelnen Hölzer wurden geschliffen und mit Wachs versiegelt, damit sie nicht allzu leicht schmutzig werden.

Die einzelnen Hölzer können von Besuchern - sofern nicht durch Steckverbindungen ohnehin gesichert - mit Schnurmaterial zusammen gebunden werden. Am sinnvollsten erscheint es, dafür schlichten Spagat zu verwenden, einfach deshalb, weil man ihn bei der Benutzung laufend ersetzen muss. In Bezug auf die Bindetechnik wurden nahe liegende Lösungen gefunden, die beim Modell sinnvoll erschienen, weil sie gut und vor allem ohne allzu große Anleitung angewendet werden können. Die Grundplatte des verkleinerten Modells hat Dimensionen von ca. 154 cm auf 79 cm und ist etwa 8 cm hoch. Innen ist sie weitgehend hohl gearbeitet, um sie so leicht wie möglich zu machen. Nur wo Bohrungen als Pfostenlöcher für die vertikalen Elemente (Pfosten) nötig sind, besteht sie aus Vollholz. Die Außenmaße des Hausmodells selbst betragen unten im Pfostenbereich ca. 115 cm auf  53 cm, im Aufgehenden dann bis zu 128 cm auf 68 cm. Die Gesamthöhe des Modells beträgt annähernd 90 cm, wobei etwas mehr als 8 cm auf die Grundplatte entfallen. Hier wurden die Höhenmaße von Unteruhldingen etwas nach unten revidiert, damit auch kleinere Kinder besser aktiv werken können.

Die einzelnen Konstruktionselemente zeigen bei den Rundstäben Längen von bis zu 80 cm, wobei sehr lange Elemente wie die Schwellen, die Pfettenhölzer oder die Latten aus jeweils zwei Teilen gefügt werden. Die Wandfüllungen zeigen Ausmaße von maximal 28 cm auf 24 cm, die Maße der Dachmodule liegen ebenfalls in diesem Rahmen. Anbei finden sich drei Planansichten von Grundriss sowie von Giebel- und Seitenansicht mit Maßstabsangabe in Relation zum Originalbefund. Die verwendeten Publikationen zum archäologischen Hausvorbild von Hornstaad am Bodensee mit weiterführender Literatur finden sie unten.

Die Eröffnung des didaktischen Hausmodelles im ATARHOF mit Vorträgen von Dr. Wolfgang Lobisser und Mag. Cyril Dworsky musste aufgrund der derzeitigen Situation und der damit verbundenen Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 leider verschoben werden. Sobald der neue Termin bekannt ist, werden wir darüber informieren.

Literatur

G. Schöbel, Das neue „Steinzeithaus“ im Freilichtmuseum Unteruhldingen, Plattform - Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde, Ausgabe5/6, 1996/97, Unteruhldingen 1997, 83 - 98.

M. Krauß, G. Schöbel, P. Walter, Das „Hornstaadhaus“ im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen - Feldversuch und Bewohnung - Ein Zwischenbericht, Plattform - Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde, Ausgabe7/8, 1998/99, Unteruhldingen 1999, 70 - 81.

Wolfgang Lobisser, Doktor der Urgeschichte und historischen Archäologie, setzt seine Forschungsschwerpunkte auf Haus-

Idealisierte Giebelansicht des Hausmodells mit Grundplatte, Pfostenstellungen, Plattform, Pfettenbäumen, Bindern, Rofen, Latten und Dachschindeln. (Bild: W. Lobisser)
Die Einzelteile des zerlegbaren, interaktiven Pfahlbaumodells. (Bild: W. Lobisser)
Stück für Stück...
...können Besucher*innen das Pfahlbauhaus zusammenbauen.
Auch Variationen in der Konstruktion können ausprobiert werden.
Das fertig zusammengebaute Modell des Pfahlbauhauses wird bald im ATARHOF zu bewundern und begreifen sein. (Bild: W. Lobisser)
1 von 6

Kommentare

Gespeichert von Florian am

Super Idee! Wie lange brauchen Leute, die noch nicht allzu viel mit Pfahlbauten vertraut sind, um das Haus aufzubauen?

Gespeichert von Mag. Gabriele K... am

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Sachbearbeiter*innen,

gerne möchte ich über die Vorträge informiert werden.
Herzlichen Dank für eine Aufnahme in ihren Verteiler.

e-mail: Gabi.Kainberger@gmx.at

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