13.04.2024 - 14:30

Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Digitale Archaeologie – Was ist das?

8. Februar 2019

Wir sind zurück in Wien und sprühen geradezu vor Ideen, die wir gerne umsetzen möchten. Julia Klammer und ich waren diese Woche in der Schweiz und haben an dem internationalen Colloquium „Digital Archaeology – Quantitative approaches, spatial statistics and socioecological modelling“ teilgenommen. An der Universität Bern kamen vom 4.-6. Februar eine Reihe an Wisschenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschieden Ländern und Disziplinen zusammen. 

Aber was bedeutet „Digitale Archäologie“, räumliche Statistiken oder sozialökologische Modellierung? Wofür brauchen wir das alles? Die Archäologie beschäftigt sich doch mit der Menschheitsgeschichte, ihren hinterlassenen Strukturen und Objekten.

Tja, die Menschheitsgeschichte schreitet eben voran und die technologische Entwicklung ebenso.  Längst hat auch die Geisteswissenschaft das Potenzial in der Anwendung digitaler Datensätze und computerbasierter Berechnungsmethoden für ihre Zwecke erkannt. Unter dem Überbegriff „Digitale Archäologie“ fällt vieles hinein. Vor allem beschäftigt sie sich aber mit digitalen Daten der archäologischen Forschung und die Ausarbeitung computerbasierter Methoden und Werkzeuge die es benötigt um diese Daten zu gewinnen, zu analysieren und zu managen.

Die Vielseitigkeit der Vorträge in Bern spiegelt die vielen Fassetten dieses Arbeitsfeldes wieder. Es wurden Projekte vorgestellt von gewonnen archäologischen und umweltbezogenen Daten aus flugzeuggetragenen Laserscanaufnahmen und Satellitenbildern, bis hin zu archäologischen Vorhersagemodellen und maschinelles Lernen als Werkzeug zur Bewältigung archäologischer Fragestellungen.

Neben einem Poster haben Julia und ich auch einen Vortrag über unsere Arbeit im Beyond Lake Villages Projekt gehalten. Im Zuge des Projektes suchte Julia die Landschaft um die Voralpenseen Attersee und Mondsee in Oberösterreich nach archäologischen Fundstellen ab. Dazu musste sie ihren Schreibtisch nicht einmal verlassen, denn diese Arbeit wird zuerst am Computer durchgeführt. Für die digitale Erkundung verwendete sie ein Geländemodell von der Attersee-Mondsee-Region, das auf flugzeuggetragenen Laserscans beruht. Die Daten wurden vom Land Oberösterreich zur Verfügung gestellt. Die genannten Oberflächenaufnahmen stellen dabei nur das Relief der Region dar, sozusagen den kahlen Erdboden, da Bäume und Sträucher zuvor aus den Laserscandaten herausgerechnet wurden. In einem solchen Geländemodell kann ein geschultes Auge natürliche Formationen von menschlich beeinflussten Strukturen unterscheiden. Diese werden, sofern als archäologisch interpretiert, in einem Geoinformationssystem kartiert und mit anderen Quellen wie Luftaufnahmen oder historischen Karten abgeglichen. Eine auf diese Weise neu entdeckte Fundstelle liegt am Kronberg direkt in der Nähe der Seeuferstationen in Abtsdorf und Aufham. Bei einer vor Ort durchgeführten Ausgrabungen der Universität Wien konnten unter anderem Strukturen einer Befestigung dokumentiert und Proben für eine Datierung gewonnen werden. Nun warten wir alle gespannt auf die Ergebnisse der Probenanalyse.

Ich präsentierte die Inhalte meiner Master-Arbeit die ebenfalls im Zuge des BELAVI-Projektes ausgearbeitet wurden. In meiner Arbeit wurden die neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen des Attersee und Mondsees einer Landschaftsanalyse unterzogen.

Folgende Forschungsfragen habe ich bearbeitet:

-              Lassen sich charakteristische Landschaftsmerkmale im Zusammenhang mit den Standorten der neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen erkennen?

-              Können diese Landschaftsmerkmale dazu verwendet werden, um andere Seeuferzonen als archäologisch relevante Verdachtsflächen zu definieren?

Mit Hilfe eines Geoinformationssystems wurden bestimmte Geofaktoren innerhalb der direkten Einzugsgebiete der bekannten Fundstellen untersucht. Mittels sogenannter Umfeld-Analysen konnte die Landschaft in Verbindung mit Seeufersiedlungen statisch ausgewertet werden. Diese Untersuchungen von Siedlungsstandorten anhand von gewählten Merkmalen führten zu einer Definition von präferierten Siedlungszonen. Die Ergebnisse lieferten die Basis für die Berechnung eines Vorhersagemodells. Dieses Modell informiert uns nun zur Lage von Uferbereichen am Attersee und am Mondsee, wo eben genau diese definierten Landschaftsmerkmale vorzufinden sind. Die Berechnungen weisen uns ArchäologInnen somit auf Zonen hin, die für urgeschichtliche Gesellschaften von Interesse gewesen sein könnten. Diese Uferzonen sind wiederrum für uns ArchäologInnen für weiterführende Untersuchungen spannend.

Es war die erste Tagung auf der ich die Ergebnisse meiner Master-Arbeit präsentieren konnte. Doch es wird mich im Herbst dieses Jahres noch an den Attersee verschlagen, wo ich Helga Oeser einen Vortrag im Rahmen ihres Programmes im Verein „Freunde der Archäologie“ versprochen habe.

Wir konnten uns viel von dem Colloquium in Bern mitnehmen. Auch die abschließende Exkursion zur Tauchequipe des Kanton Bern am Bielersee und dem archäologischen Museum „Laténium“ am Lac de Neuchátel (Neuenburgersee) hat viele, gute Eindrücke bei uns hinterlassen. Wir würden jederzeit wiederkommen.

Die Bedeutung an der das Forschungsfeld der digitalen Archäologie immer mehr gewinnt zeigt sich auch an der steigenden Anzahl an Konferenzen mit diesem Schwerpunkt. Zum Abschluss wollten wir hier nur ein paar nennen, die dieses Jahr in Europa stattfinden und vielleicht für einige LeserInnen von Interesse sein könnten:

Frontiers in Digital Humanities | Digital Archaeology

EAA 2019

CHNT 2019

Zugehöriges Projekt

Das Projekt ist Teil eines internationalen...

Julia Klammer ist freischaffende Archäologin und widmet sich den landschaftsbezogenen Aspekten in der Archäologie. 

Helena Seidl da Fonseca arbeitet seit 2012 beim Kuratorium Pfahlbauten. Sie ist ausgebildete Forschungstaucherin und Grabungsleiterin im Forschungsprojekt Zeitensprung.

Über den Dächern von Bern - Veranstaltungsort des Colloquiums zum Thema "Digitale Archäologie".
Über den Dächern von Bern - Veranstaltungsort des Colloquiums zum Thema "Digitale Archäologie".
Poster-Präsentation an der Universität Bern. Poster Julia Klammer: "Lake view has always been an issue"
Poster-Präsentation an der Universität Bern. Poster Julia Klammer: "Lake view has always been an issue"
Exkursion zur Tauchequipe des Kanton Bern.
Exkursion zur Tauchequipe des Kanton Bern.
Exkursion zum archäologischen Museum „Laténium“ am Lac de Neuchátel (Neuenburgersee).
Exkursion zum archäologischen Museum „Laténium“ am Lac de Neuchátel (Neuenburgersee).
Vortrag "Lakeshores and their hinterland" von Julia Klammer und Helena Seidl da Fonseca.
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Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

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