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Bohnen und mehr - Ein Blogpost zum Ende des Jahres der Hülsenfrüchte

20. Dezember 2016

Für Archäologinnen und Archäologen gehören Dinge aus organischen Substanzen zu den größten Seltenheiten. Nur unter ganz bestimmten Lagerungsbedingungen bleiben diese erhalten. Voraussetzung sind große Trockenheit - Wüstenfunde, große Feuchtigkeit – Moorfunde, Pfahlbaufunde – oder konservierendes Umfeld – Bergwerksfunde. Bei den letzteren nehmen die Funde aus Salzbergwerken eine ganz besondere Stellung ein, weil zum Luftabschluss noch die konservierende Wirkung des Salzes dazukommt.

Unter den Funden aus dem eisenzeitlichen Revier des Salzbergwerkes Hallstatt kommen immer wieder menschliche Exkremente vor. Aufgrund der sehr stereotypen Zusammensetzung konnte sogar das Rezept der Hauptnahrung der damaligen Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit rekonstruiert werden. Zur großen Überraschung wird dieses Gericht heute noch in weiten Teiles des Ostalpenraumes zubereitet: das Ritschert, ein deftiger Eintopf aus Gerste, Bohne, Hirse und schwartenreichem Schweinefleisch. Aus Sicht der Ernährungsphysiologie ist dieses Gericht sehr ausgewogen: Die Bohnen enthalten viel Eiweiß, die Gerste liefert die Stärke und die Schwarten das für Sehnen, Muskeln und Knochen so wichtige Kollagen.

In meiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit den Problemen des prähistorischen Hallstatt, darunter auch mit den Exkrementen, gründet sich mein Interesse für die Bohne. In diesem Fall natürlich für die Bohne der Alten Welt, der Saubohne, die eigentlich keine Bohne sondern eine Wicke (vicia) ist. Was wir heute gemeinhin unter Bohne (phaseolus) verstehen ist ein Import aus der Neuen Welt. Aufgrund ihrer zarteren Haut und ihres feineren Geschmacks hat die Phaseolusbohne die Viciabohne rasch vom Tisch der Menschen verdrängt und sie ist zum Futtermittel geworden. Daher auch die deutschen Bezeichnungen wie Saubohne, Pferdebohne, Ackerbohne. Heute ist sie gerade dabei, ihre Vormachtstellung gegen die Sojabohne (glycine) aus dem Fernen Osten zu verlieren.

Die Saubohne (vicia faba) ist seit dem Neolithikum in Europa und dem Nahen Osten bekannt und beliebt und ein wichtiges und vor allem verlässliches Nahrungsmittel. Sie stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden und ist vor allem frostbeständig. Allerdings muss sie  zur Zeit der Blüte ausreichend gegossen werden. Die getrockneten reifen Kerne aller Hülsenfrüchte sind lange haltbar und haben über Jahrhunderte das Überleben der Menschheit gesichert. In Zeiten der Not waren sie oft die einzigen verfügbaren Lebensmittel. In Mitteleuropa während bzw. nach den beiden Weltkriegen, in Ländern der Dritten Welt bis in die Gegenwart.       

 

Fritz Eckart Barth ist ehemaliger Direktor der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien. Bis zu seiner Pensionierung war er fast 40 Jahre lang mit der Erforschung der prähistorischen Salzbergwerke von Hallstatt befasst.

Der Pfahlbauten-Blog ist nominiert.

Ein Ritschert nach dem Rezept von Eckart Barth. (Bild: Fam. Barth)
Ein Ritschert nach dem Rezept von Eckart Barth. (Bild: Fam. Barth)
Bei Veranstaltungen auf dem Salzberg war Ritschert sehr gefragt. (Foto: Fam. Barth)
Bei Veranstaltungen auf dem Salzberg war Ritschert sehr gefragt. (Foto: Fam. Barth)
Zum Nachkochen: Das Ritschert-Rezept von Barth. (Bild: E. Barth)
Zum Nachkochen: Das Ritschert-Rezept von Barth. (Bild: E. Barth)
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