13.04.2024 - 14:30

Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Von Aeroplanen und Etablissements: Die Welt um 1900 – FFG Talentepraktikum 2022

28. Juli 2022

Wie im letzten Blogbeitrag von Anton zu lesen war barg die Kiste 40 nicht nur Steinartefakte aus der Grabung Willendorf II. Sie beinhaltete aus meiner Sicht noch spannendere Dinge, nämlich viele alte Zeitungsfetzen, mit denen man damals die zahlreichen Steine verpackt hat. Für mich waren diese Zeitungsreste die Artefakte, welche ich vorsichtig zwischen den Steinen herausholte, glattstrich und versuchte zu rekonstruieren. Dabei stößt man auf interessante Geschichten und bekommt auch ein Stück weit einen Einblick in die Lebenswelt um die letzte Jahrhundertwende.

Was die Forscher:innen damals in der Zeitung lasen

So habe ich mich aufgemacht in eine Zeit in der der Mensch gerade beginnt mit Aeroplanen (Flugzeugen) in der Luft umherzuschweifen, die ersten Automobile durch die Straßen fahren und die Männer der Zeit immer schicke Herrenanzüge tragen. Im Deutschen Volksblatt aus Wien geht es um die große Silvesterfeier in Drehers Etablissement vom 31.12.1899, sowie Werbung für Theater aus dieser Zeit. Unter den Zeitungen befanden sich auch einige englische und es wurde von allem Möglichen berichtet, wie von einem Flugzeug, das abstürzt, wobei der Pilot unverletzt davonkommt. Die Flugzeuge um 1908 konnten ohnehin nicht hoch hinaufkommen, trotzdem hatte der gute Mann Glück.  Verschiedene Aktienkurse werden beschrieben und bestimmte Bestzeiten von Sportlern. In der Pall Mall Gazette, einer Londoner Abendzeitung wird ein gewisser „Mr. Gandhi“ interviewt und es wird vor heidnischen (islamischen) Predigern in New York gewarnt. Die Zeitung ist von 1908 und daher wurde auch wenig verwunderlich das Thronjubiläum von „unserem“ Kaiser Franz Joseph erwähnt, der zu diesem Zeitpunkt schon 60 Jahre herrscht. Es wird auch von Russen geschrieben, die in die kalte Ödnis Sibirien auswandern und von Hungersnöten in den Weiten Russlands. In den deutschen Blättern fand sich zudem auch haufenweise Werbung für Schuhe oder Haushaltsmittel wie Bleichseife, natürlich alles ansprechend für das damalige Bild der Hausfrauen aufbereitet.

Eine andere Geschichte aus einem Buch, welches in einer österreichischen Zeitung vorgestellt wurde, kann wiederum fast als feministische Literatur bezeichnet werden.
In „Die blaue Laterne“ geht es um Baron Dietrich und seinen Neffen Rudolf, die ein Lokal namens „Blaue Laterne“ aufsuchen. Der Baron erfährt, dass Frau Sabine die Inhaberin ist und spricht seinen Respekt für ihre Mühen aus. Doch der Baron und sein Neffe trinken sich an und beginnen unangenehm zu werden. Ein Herr, der mit den beiden unterwegs ist, will die Trunkenbolde hinausbegleiten, doch Frau Sabine beharrt darauf selbst mit ihm fertig zu werden. Die schöne Kellnerin Bella ist in dem Lokal angestellt. Nachdem der Neffe Rudolf sie zu sich verlangt und die Kellnerin belästigt, schmeißen die beiden Frauen sie prompt hinaus – Baron oder nicht, so geht´s in der „Blauen Laterne“ nicht! Rudolf, verärgert über solch eine Behandlung von einer Frau, gerät in einen Streit, welcher letztlich von seinem Onkel geschlichtet werden muss. „Die blaue Laterne“ ist ein Berliner Roman von Paul Lindau.

Eine Ausgabe derselben Zeitung aus dem Jahr 1900 ist voller Werbung und gibt so einen guten Einblick in die Verbraucherkultur um die letzte Jahrhundertwende. Es wird Werbung für Nestles Kindermehl gemacht, was zeigt, wie lange Firmen, die heute etabliert sind, eigentlich schon aktiv sind. Es gibt ebenso Werbung für Magentropfen, Spielwaren und die bereits erwähnte Bleichseife.

Man liest unter anderem nicht nur von Kaiser Franz Joseph, sondern auch von seiner Frau „Sissi“. In dem Artikel wird über ihre Stilisierung schon weniger als 10 Jahre nach ihrem Tod geschrieben. Einige ihrer Vorlieben und Sammlungen, sowie ihre Hingabe zum ungarischen Volk, für die sie sich 1867 beim österreich-ungarischen Ausgleich eingesetzt hat, finden Erwähnung. Eins der wenigen Male, wo die sonst so zurückgezogen lebende Frau politisch aktiv wurde.

Der amüsanteste Bericht stammt aber aus einer deutschen Zeitung, nämlich der Tagespost aus Würzburg. Es geht um ein Pariser Caféhaus und was sich dort eines Abends im Jahr 1892 zugetragen hat. Zwei Polizisten drehen abends ihre Runden und sehen, dass in diesem Lokal das Licht noch brennt. Die Polizisten treten ein und sehen den Wirten, der sich mit einer Kellnerin zankt. Die beiden schlichten schnell den Streit und der Wirt beschließt, den Anwesenden eine Runde auszugeben. Sodann bemerken sie, dass der Unterbrigadier vor der Tür steht, der Vorgesetzte der Polizisten, der ebenfalls seine Runden dreht. Der Wirt versteckt die Polizisten im Kellner, denn beim Biertrinken sollte man sich im Dienst nicht erwischen lassen, und lässt den Unterbrigadier hinein. Dieser sieht, dass keine Gäste anwesend sind, und daher will er wieder gehen, doch der Wirt bietet ihm noch einen Imbiss an, auf den er bleibt. Dann bemerken die beiden, dass jemand an die Tür klopft und „Ouvrez donc!“ (Öffnen Sie!) ruft. Es ist der Oberbrigadier, der auch seine Runden dreht. So muss der Wirt abermals einen Gast vor dem anderen verstecken. Da der Keller schon belegt ist, schickt er ihn in einen Verschlag hinter dem Kamin. Das Problem ist nur, dass auch dieser Platz schon belegt ist und der Kater, der dort liegt, lautstark sein Plätzchen verteidigt. Wie es weitergeht, muss man der Vorstellung überlassen, weil da die Seite abreißt. Wir hoffen jedenfalls, dass sie am Ende alle zusammen beim Wirten bleiben und die Schelte ausbleiben.

Die älteste Zeitung stammt aus dem Jahr 1890 und ist auch eine Ausgabe der Neuen Freien Presse. Es wird von einem Engländer namens Thomsen berichtet, welcher irrtümlich die deutsche Flagge einholt und so vom englischen Gouverneur bestraft wird. Der englische Gouverneur und der Generalkonsul in Sansibar (heutiges Tansania) drücken ihr Bedauern darüber aus.

Wie man sieht, ist es spannend zu sehen wie sich auf der einen Seite die Menschen und die Gesellschaft rasant änderten, und auf der anderen Seite bestimmte Aspekte irgendwie gleichbleiben. Gerade in unserer Zeit, im Geiste der Globalisierung und digitalen Vernetzung ändert sich alles mit riesigen Schritten. Mobiltelefone und das Internet sind heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Im letzten Jahrhundert hat sich so viel getan und doch bleiben wir Menschen und tun was wir immer tun: neue Dinge erfinden, lachen, lieben, in Ärger geraten, verletzt sein und leben.

Michael Lonsing, 17 Jahre, kommt nächstes Jahr in die 7. Klasse des BRG Traun in Oberösterreich. In seiner Freizeit arbeitet er an seinem Stammbaum und er interessiert sich für Geschichte. 

Die Zeitungsfetzen zu einem Ganzen zusammenzusetzen hat gedauert.
Um 1900 gab es Werbung für allerhand "Innovationen".
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