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Vom Baggern, Ausbeutung und günstigem Wetter – Die Anfänge der Pfahlbauforschung in Österreich

8. September 2020

Im Winter 1853/54 wurden an Schweizer Seen Siedlungsspuren entdeckt, welche als „keltisch“ oder steinzeitlich interpretiert wurden. Altertumsforscher wie Ferdinand Keller machten dabei den Begriff „Pfahlbau“ über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt. Die Vorstellung, dass mitten im industriellen, zivilisatorisch weit überlegenen Europa die eigenen Vorfahren vor vielen Jahrhunderten auf Pfählen und am Wasser gelebt haben sollen, ganz wie die aus den Reiseberichten bekannten Naturvölker der Südsee, löste eine fieberhafte Suche nach „Pfahlbauten“ und die Erforschung der eigenen Kulturentwicklung quer durch Europa aus. Diese „Pfahlbau-Romantik“ schwappte nach Funden in Oberitalien 1864 auch nach Österreich über. Dabei beauftragte die naturwissenschaftlich-mathematische Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zunächst den Zoologen und Geologen Professor Rudolf Kner und den als Expeditionsforscher („Weltumsegelung der Novara“) bekannt gewordenen und damaligen Professor der Mineralogie, Ferdinand von Hochstetter, mit der Erforschung heimischer Seen.

Rudolf Kner fuhr dabei zuerst in die Schweiz und zu deutschen Kollegen, um sich über Pfahlbauten und methodisches Vorgehen zu informieren, an Orte „an denen Pfahlbauten bereits aufgedeckt sind und ausgebeutet werden.“ [1] Dagegen bekommt man beim Lesen von Korrespondenzen zwischen Hochstetter und seiner Frau Georgine eher den Eindruck, dass dieser hauptsächlich am Sammeln von Mineralien interessiert gewesen sei und die Erkundung der Kärntner Seen mehr als Ausflüge in die Umgebung genutzt hat. [2] Trotzdem war das Glück auf der Seite von Hochstetter, welcher bereits im Sommer 1864 mit der Auffindung von Pfahlbauten im Keutschacher See fündig wurde.

Rudolf Kner hatte in diesem Sommer weniger Erfolg. Wegen hohen Wasserstands und Regentagen konnte dieser an den oberösterreichischen Seen nicht „baggern“ und beschränkte sich deshalb auf die Lokalisierung von „günstigen Stellen für Pfahlbaudörfer“. Dabei ging er auf der Suche nach Pfahlbauten auch den lokalen Legenden und Erzählungen in der Bevölkerung nach. Methodisch wurden die Seen entweder vom Ufer aus begangen, oder von einem Fischerboot aus befahren und vielversprechende Stellen mit einfachem Werkzeug, Baggerschaufeln oder Zangen untersucht, wobei Kner sich schon damals eine Weiterentwicklung des Werkzeugs wünschte. Bei diesen Tätigkeiten halfen ihm am Wolfgangsee, Mondsee und Attersee der Fischmeister Hepplinger und dessen Sohn. Immer wieder machten die engagierten Helfer dem Professor aus Wien Hoffnung, jedoch entpuppten sich alle Funde als rezent oder gingen wieder verloren. Resignierend schrieb Kner in seinem Bericht für die Akademie, dass er zwar die Hoffnung auf ältere Funde habe, diese müssten aber tiefer aus dem Seeboden gebaggert werden oder wären gänzlich verloren.

Die Erfolgsmeldung von Hochstetter, weckte das Interesse des Kärntner Geschichtsvereins. Dieser beauftragte noch im selben Jahr den Beamten und Kontrolleur der Berghauptmannschaft in Laibach, Josef Ullepitsch, welcher schon zuvor mit Hochstetter unterwegs gewesen war, mit Nachforschungen an jenen Stellen, welche Hochstetter für „höchst würdig“ empfunden hat. Ähnlich wie bei Kner zuvor, verhinderten jedoch starker Wind und hoher Wasserpegel, dass beim Baggern oder beim Arbeiten mit Schleppnetz nur wenige Gegenstände hervorgekommen sind. [3] In Oberösterreich wurden erst mit der Gründung der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 1870 und der finanziellen Unterstützung von Graf Johannes Nepomuk Wilczek neue Versuche zur Auffindung von Pfahlbauten veranlasst. Graf Gundacker von Wurmbrand Stuppach wurde beauftragt für den Verein Nachforschungen anzustellen. Und tatsächlich wurde er noch im selben Jahr 1870 in Seewalchen am Attersee fündig, wobei immer mehr „Stationen“ in kürzeren Zeitabständen von diesem entdeckt wurden.

Durch (Aus-)Baggerung sollte der Charakter der Stationen herausgefunden werden. Diese sollten auch vermessen, deren Lage, Wassertiefe und Ausbreitung festgehalten werden, wobei Graf Gundacker diese Form von Arbeiten zunehmend brieflich „dirigierte“. Um die Arbeitsweise der Pfahlbauer nachvollziehen zu können, führte dieser auch selbst Experimente durch. [4] Eine Auswahl an „hervorragendsten Gegenstände“ ließ Wurmbrand nach Wien zur Anschauung schicken und hielt selbst immer wieder Vorträge bei der Anthropologischen Gesellschaft darüber. Dabei war dem Grafen Gundacker ganz recht, dass Pfahlbauten noch wenig bekannt waren. In einem Schreiben an den Geologen Franz Ritter von Hauer vermerkt er 1872 über den Fundplatz Kammer: „Dort war noch alles im Alten. Die vorjährige Entdeckung und die reichen Funde, die dadurch gewonnen worden waren, hatten zum Glücke noch Niemanden in der Umgegend von der Anwesenheit der Pfahlbauten überzeugt.“ [5]

Der Prähistoriker Matthäus Much, welcher im Salzkammergut ein Haus hatte und dort seine Sommer verbrachte, entdeckte 1872 nach mehreren erfolglosen Versuchen, und erst als das Wasser klar wurde, die ersten Pfahlbauten im Mondsee. [6] Die zahlreichen und spektakulären Funde, welche Much in den kommen Jahren „gehoben“ hat, wurden später zum Grundstück der urgeschichtlichen Sammlung der Universität Wien und führten dazu, dass die gesamte archäologische Kultur der oberösterreichischen Pfahlbauten auch als „Mondsee-Kultur“ Bekanntheit erlangte. 150 Jahre später haben sich viele der archäologischen Methoden und auch Teile der Interpretation geändert – die Faszination über die Pfahlbauten, ist allerdings gleich geblieben.

Kleiner Tipp:

Wer die ersten Berichte der Pfahlbauforscher nachlesen möchte, kann das auch Online tun. Vieles ist bereits digitalisiert und kostenlos abrufbar:

https://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ211519501

Literatur:

[1] Rudolf Kner, Bericht über die Untersuchung der Seen Oberösterreichs bezüglich etwa vorhandener Pfahlbauten. Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, math.-naturw. KL. 50 (1865), S. 332-346, hier S. 332.

[2] Marianne Klemun, Die Erforschung des vorgeschichtlichen „Pfahlbaus“ – ein kontroversielles Kapitel der internationalen prähistorischen Forschung des 19. Jahrhunderts und Ferdinand Hochstetters Entdeckung der Keutschacher „Pfahlbauten“ (1864). In: Carinthia II. 185./105 Jg. (1995), 215-238.

[3] Josef Ullepitsch, Die Pfahlbauten-Reste im Keutschacher See. Archiv für Vaterländische Geschichte und Topographie, Vol. 9 (1864), S. 127-132.

[4] Gundaker Graf von Wurmbrand, Ergebnisse der Pfahlbau-Untersuchungen. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft, Bd. 2, Nr. 8, 1872, 249-273.

[5] Schreiben des Grafen Gundaker v. Wurmbrand an Sectionsrath Ritter v. Hauer über die in den oberösterreichischen Seen fortgesetzten Pfahlbauuntersuchungen, Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft, Bd. 2, Nr.1 (1872), S. 1-7.

[6] Matthäus Much, Erster Bericht über die Auffindung eines Pfahlbaues in Mondsee, Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft, Bd. 2, Nr.6, (1872), 203-206.

Florian Ostrowski studierte Geschichte sowie Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universität Wien.

Josef Ullepitsch ©Atelier Zwickl, Institut für Botanik, Universität Wien, Nr. P561, Sign. P19-71
Graf Gundacker von Wurmbrand Stuppach ©Österreichische Nationalbibliothek
Sandfischer ©Laténium, Neuenburg, CH
Idealbild der Pfahlbauten des Laibacher Beckens nach der Vorstellung des 19. Jahrhunderts, von August Grosz © Naturhistorisches Museum Wien.
Auszug aus Inventarbüchern mit Funden des Grafen von Wurmbrand Stuppach aus Seewalchen. ©Kuratorium Pfahlbauten
Überreste der Pfahlbausiedlung See am Mondsee, entdeckt 1872 von Matthäus Much ©Kuratorium Pfahlbauten.
Überreste der Pfahlbausiedlung See am Mondsee, entdeckt 1872 von Matthäus Much ©Kuratorium Pfahlbauten.
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