20.04.2024 - 10:00

Plätze beschränkt! Anmeldung erforderlich

(K)ein Blick für die Vergangenheit? – Prospektion im Attersee (Kammer)

23. März 2023

Der Attersee ist ein vom Gletscher der letzten Eiszeiten ausgeschürfter Zungenbeckensee. Der Mensch nutzt den See seit Jahrtausenden als Wohnort. Es wurden 7000 Jahre alte Hölzer vor den Gemeinden Schörfling und Seewalchen gefunden. Was hat es mit diesen Hölzern auf sich? Sind sie vom Menschen bearbeitet worden, ist es ein Hinweis auf menschliche Nutzung, oder handelt es sich dabei um alte, aber natürlich eingetragene Schwemmhölzer?

Jeder fängt einmal an. Ich wurde für diese Kampagne erstmals beim „Kuratorium Pfahlbauten“ als Forschungstaucherin angestellt – ich bin studierte Biologin und habe bisher vor allem bei Vegetations- und Bodenkartierungen mitgewirkt. Endlich geht es los. Das abgesteckte Untersuchungsgebiet (4x10m) liegt vor mir. Der Attersee besticht im März mit einer erstaunlichen, fast karibischen Sichtweite und einer eisigen Kälte von 4°C Wassertemperatur auf 2,4m. In einem ersten Schritt räumen wir das grobe Geröll und Steine zur Seite. Als ich einen Stein packen möchte, gibt er nach und entgleitet mir. Es ist kein Stein, es ist ein Pfahl. Ich kenne das Alter nicht, ich kenne die Baumart nicht, ich weiß nicht wer den Pfahl dort platziert hat und wie lange er schon dort ist. Ein dunkles Keramikfragment befindet sich daneben. Ich habe schon fälschlicherweise einige Steine eingesammelt, doch diesmal ist der Fund eindeutig. Ich freue mich ein Stück Geschichte in der Hand zu halten.

Es sind Puzzlestücke und Ziel dieser Prospektion ist es dieses Puzzle vor dem Steg in Seewalchen über die 7000 Jahre alten Holzstücke zu lösen. Doch es ist ein Rennen gegen die Zeit. Der Fundort liegt in einem viel befahrenen Bereich mit hohem Bootsverkehr. Die Verlagerung von Sediment wird durch die Schifffahrt verstärkt und wirkt der natürlichen Ablagerung von Deckschichten entgegen. Was wir gerade entdecken, könnte in den nächsten Jahren schon beschädigt oder verschwunden sein.

Am zweiten Tag ist nichts mehr vom strahlenden Sonnenschein zu sehen, ein beständiger Regen und beißender Wind begleiten uns. Da hat sich das ORF einen herausfordernden Tag für die Berichterstattung ausgesucht. Die Funde wecken das Interesse der Öffentlichkeit, die Leute wollen wissen, wie eine archäologische Grabung unter Wasser abläuft und woran geforscht wird.

Heute ist es ein Abenteuer, gestern haben wir die Kommunikation mit den Vollgesichtsmasken nicht gebraucht. Heute werden wir nach 1 Stunde und 20 Minuten zurück gerufen, das Wetter ist umgeschlagen. Der Einsatzleiter meint, es sei nicht mehr sicher, wir brechen ab. Eine vernünftige Entscheidung.

Nicht jeder Fund ist eine Sensation. Die dunkle Schicht mit Keramikfunden scheint keine Kulturschicht zu sein. Viel mehr eine Schwemmschicht mit allerlei Funden. Wie kam es zu dieser Erkenntnis? Neben einem Flossenband, Bierdeckeln und Glasscherben, mischen sich verzierte Keramikscherben der typischen Mondseekeramik unter die Funde. Auch die Bohrprofile weisen eine relativ homogene 90cm Schicht an Seekreide auf, nun wissen wir: Hier gibt es keine homogene Kulturschicht. So ist das mit der Wissenschaft. Wir sind einen Schritt weiter. Auch wenn das Resultat nicht bahnbrechend ist, so ist es doch ein Ergebnis mit dem wir weiter arbeiten können.

Die Woche nähert sich dem Ende, alles ist in bester Ordnung, die Sonne kommt endlich hervor und sorgt für heitere Stimmung. Das Highlight ist die Bergung eines  der 7000 Jahre alten Hölzer, die mit beinahe andächtiger Vorsicht erfolgt. In den nächsten Tagen bergen wir zwei weitere Hölzer und nehmen Proben von den 61 Pfählen auf der Untersuchungsfläche.

Hier endet meine Reise als Forschungstaucherin, die Holzstücke werden versorgt und bald zu einem Lagerort transportiert. Die gesägten Pfeile werden datiert, was eine kleine Einsicht in die Vergangenheit gewähren wird. Ich habe meinen Teil zur Puzzlelösung beigetragen und freue mich schon auf die nächste Untersuchung unter Wasser und auf die Ergebnisse der Prospektion.

Hannah Forsthuber ist Biologin und Forschungstaucherin.

Die Koordinaten der am Seeboden getätigte Funde müssen sorgfältig dokumentiert werden.
Vorsichtig müssen die Tausende Jahre alten Hölzer aus dem Seeboden gehoben werden.
Gut und sicher verpackt kommen die Hölzer an die Oberfläche.
Das Tauchteam nach getaner Arbeit - bereit für den nächsten Einsatz.
1 von 4

Neuen Kommentar schreiben

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Internet- und E-Mail-Adressen werden automatisch umgewandelt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Weitere Informationen zur Erhebung und Speicherung ihrer Daten können sie der Datenschutzerklärung entnehmen

Fördergeber

 
Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

Die Fördergeber sind:

Partner und Sponsoren

   
Das UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ wird unterstützt durch: