Erfolgreicher Schutz für das UNESCO-Welterbe im Keutschacher See 2025
Helena Seidl da Fonseca und Henrik Pohl berichten über die erfolgreich abgeschlossenen Schutzmaßnahmen an der UNESCO-Welterbestätte im Keutschacher See.
Erfolgreicher Schutz für das UNESCO-Welterbe im Keutschacher See 2025
Die urgeschichtliche Siedlung im Keutschacher See gehört seit 2011 zum seriellen UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“. Vor ca. 6.000 Jahren lag der Wasserspiegel vermutlich rund 1,5 m tiefer – die heute versunkene Untiefe war eine Insel, auf der Menschen Häuser auf Holzpfählen errichteten. Die erhaltenen Überreste - Pfähle, Holzreste, Keramikgefäße, Knochen und weitere organische Materialien - liefern unschätzbare Einblicke in das Leben, Handwerk, Ernährung, Umwelt und die materielle Kultur der Menschen der Jungstein- und Kupferzeit.
Luftbild der Abdeckfläche im Keutchacher See
Doch die Wasserlage allein garantiert keine Sicherheit – im Gegenteil: Das Welterbe ist durch mehrere Faktoren unmittelbar bedroht:
- Natürliche Erosion & Sedimentabtrag: Der sehr flache Bereich der Untiefe ist nur von einer dünnen Schlick- und Sandschicht bedeckt - starke Strömungen, Wellenschlag oder natürliche Erosionsprozesse können diese Schutzschicht abtragen und Pfähle freilegen.
Zerstörung durch Laichgruben: Besonders problematisch sind laichende Zander. Sie graben bis zu zwei Meter große Mulden in den Seeboden, um ihre Eier abzulegen. Dabei durchwühlen und zerstören sie die archäologische Fundschicht.
Kuratorium Pfahlbauten - Henrik PohlZum Laichen legen die Zander spezielle Gruben an.
Menschliche Eingriffe: Anker, Angelhaken und Bootsverkehr beschädigen die jahrtausendealten Hölzer und Funde. Obwohl die Schutzzone klar gekennzeichnet ist, wird dort weiterhin geangelt und mit Booten angelegt – die sensible Fundstelle bleibt dadurch gefährdet.
Diese Bedrohungen werden seit 2013 vom Site Management des Kuratoriums Pfahlbauten beobachtet, vermessen und dokumentiert. Bereits die ersten Tauchkontrollen machten klar: Ohne Schutzmaßnahmen würde das wertvolle Kulturerbe über die Jahre schleichend verloren gehen. Die Datenerhebung an den Erosionsmarkern lieferte quantitative Hinweise auf den Sedimentverlust, der seit dem Beginn der Aufzeichnungen 2015 in einzelnen Fällen bis zu 16 cm beträgt.
Kuratorium Pfahlbauten - Julia KlammerDensity Map 2023 zur Verdeutlichung des Erosionsgeschehens
Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt, der Seebesitzerin und der Gemeinde Keutschach wurden verschiedene Schutzmaßnahmen überlegt und entworfen, um einerseits das Welterbe für die Nachwelt zu sichern und andererseits die heutige Nutzung des Keutschacher Sees nicht maßgeblich einzuschränken.
Nachdem die besonders gefährdeten Bereiche identifiziert waren, begann 2019 die testweise Abdeckung. Zunächst kamen Matten aus Naturkautschuk, Jute und Kokosfasernetze zum Einsatz. Da sich diese Materialien nicht bewährten, wurden erstmals Basaltgeflechte eingesetzt – ein modernes Geotextil, das gegenüber herkömmlichen Kunststoffmatten einen entscheidenden Vorteil bietet: Es belastet das Gewässer nicht und ist zugleich äußerst langlebig.
Kuratorium Pfahlbauten - Henrik PohlForschungstaucher beim Verlegen der Basaltschutzmatten
Vor der Abdeckung erfolgte eine systematische archäologische Dokumentation der Fläche durch Unterwasserarchäolog:innen. Nach der manuellen Entfernung der obersten Mulmschicht wurde mittels Structure-from-Motion-Photogrammetrie (SfM) ein hochauflösendes 3D-Modell der freigelegten Oberfläche erstellt. Zur Erfassung des stratigrafischen Aufbaus unter den Deckschichten wurden zusätzlich vier Sondierungen mit einem Pürckhauer-Bohrer mit einem Durchmesser von 3 cm durchgeführt.
Die Abdeckfläche 2025 erwies sich zusammen mit dem 2024 dokumentierten Areal als besonders befundreich. Zahlreiche in situ erhaltene stehende sowie horizontal gelagerte Hölzer, einzelne Flächen mit Kulturschicht, Steinplatten und weitere Artefakte belegen die komplexe Siedlungsstruktur.
Kuratorium Pfahlbauten - Henrik PohlOberfläche mit Siedlungsresten
Das Fundspektrum umfasste neben den Holzbefunden vor allem Keramikscherben, Holzkohlefragmente, Tierknochen sowie Hüttenlehm. Diese Funde ergänzen das Bild einer langen Besiedlungsgeschichte und liefern wichtige Erkenntnisse zur materiellen Kultur sowie zur Nutzung und Organisation der Siedlung.
2025 war ein entscheidendes Jahr für den Erhalt der Pfahlbaustätte im Keutschacher See. Im Rahmen der diesjährigen Tauchkampagne des Kuratorium Pfahlbauten wurde die Abdeckung aller gefährdeten Bereiche mit Kulturschichterhaltung am Seegrund erfolgreich abgeschlossen. Insgesamt wurde eine Fläche von 536 m2 mit Erosionsschutzmatten geschützt. Das bedeutet, dass alle bisher identifizierten, besonders gut erhaltenen Areale nun mit umweltverträglichen Spezialmatten vor oberflächlichen Eingriffen durch Fische gesichert. Zusätzlich wurde ein innovativer Kompromiss zwischen Denkmalschutz und Fischerei geschaffen: Auf den Schutzmatten wurden künstliche Zandernester aus Naturfasern installiert, um die Fische anzulocken und Laichaktivitäten außerhalb der sensiblen Fundstelle zu ermöglichen. So sollen Zander weiterhin einen Lebensraum besitzen – ohne das Kulturerbe zu gefährden.
Kuratorium Pfahlbauten - Henrik PohlKünstliche Zandernester auf den Erosionsschutzmatten
Um die Schutzzone klar kenntlich zu machen und unabsichtliche Eingriffe zu vermeiden, wurden die vier Markierungsbojen erneuert und mit neuen Informationstafeln ausgestattet. Sie zeigen deutlich, wo Tauchen, Fischen und Bootsverkehr verboten sind. Diese Maßnahmen sind ein wichtiger Meilenstein für den Denkmalschutz der UNESCO-Welterbestätte im Keutschacher See und tragen wesentlich dazu bei, das Welterbe dauerhaft zu sichern.
Erneuerte Markierungsboje am Keutschacher See
Das im Jahr 2025 abgeschlossene Schutzprojekt zeigt: Mit gezielter wissenschaftlicher Dokumentation, angepasster Technik (Schutzmatten) und einem Verständnis für die Balance zwischen Umweltschutz, Freizeitnutzung und Denkmalschutz gelingt ein nachhaltiger Erhalt. Langfristig wird deutlich, dass Welterbe nicht nur historische Erinnerung bedeutet, sondern auch Teil eines lebendigen Ökosystems und einer Gemeinschaft, die Verantwortung übernimmt.
Mit der 2025 abgeschlossenen Abdeckung der gefährdeten Areale ist ein großer Schritt getan — zugleich bleibt das Engagement wichtig: künftige Monitoring-Tauchgänge, Kontrolle der Schutzzonen, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und weitere Maßnahmen, wenn neue Gefährdungen auftauchen.