Linus mit seinem 3D-Druck
Timo Kriener

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Der geflickte Krug – Reparaturkunst vor 5.600 Jahren

Welterbe
Vermittlung
Wien

Zwischen den Resten prähistorischer Pfahlbauten haben sich Keramikgefäße erhalten – Alltagsgegenstände, die von Arbeit, Mahlzeiten und besonderen Momenten vor ca. 6.000 Jahren erzählen. Damals reichte jemand am Ufer des Attersees einen kunstvoll verzierten Krug weiter. Er zerbrach – und wurde liebevoll mit Birkenpech geflickt. Heute offenbart er nicht nur urgeschichtliche Handwerkskunst, sondern auch seltene, persönliche Spuren eines Menschen aus der Kupferzeit die uns Linus Bittner in seinem Blogbeitrag genauer vorstellt. 

Der geflickte Krug – Reparaturkunst vor 5.600 Jahren

In diesem Beitrag möchte ich mein zweites Objekt, das ich im Praktikum bearbeite präsentieren. Im ersten Blogbeitrag handelte es sich lediglich um ein Keramikfragment, diesmal kann ich ein ganzes Gefäß genauer beschreiben. Es ist außergewöhnlich schön, weil es sehr gut erhalten ist und einige Besonderheiten aufweist auf die ich nun genauer eingehen möchte.

Henkelkrug

Das zweite Objekt ist ein fast vollständiger Krug, der bei Ausgrabungen unter Wasser 2017 in Weyregg II im Attersee gefunden wurde. Er stammt aus der in Schicht 6 und kann damit zeitlich genauer eingeordnet werden, als das im 19. Jahrhundert aufgesammelte Objekt aus Kammer, und zwar in den Zeitraum 3700-3600 v. Chr. Die Ausgrabungen wurden vom Kuratorium Pfahlbauten gemeinsam mit der OÖ Landes Kultur GmbH im Forschungsprojekt Zeitensprung durchgeführt. 

Im Gegensatz zum ersten Objekt liegt zu diesem eine genaue Dokumentation und Datierung vor. Auffällig an dem Krug ist, dass er aufwendig mit Rillen verziert wurde, die mit einer Kalkpaste ausgestrichen sind. Die dunkel-graue bis schwarze Keramik mit weißer Verzierung ist typisch für die Mondseekultur. Diese Gruppe gehört zur späten Jungsteinzeit, auch Kupferzeit genannt, und bezeichnet eine regionale Kulturgruppe die sich im Zeitraum von 3800-3200 v. Chr. im Salzkammergut befindet. Keramiken dieser Art finden sich aber nicht nur in Pfahlbausiedlungen, sondern auch an Trockenbodensiedlungen in der Umgebung der Seen und an Fundplätzen im Ennstal und der Traun.

Zahnabdrücke – Der geflickte Henkelkrug

Die besagte Verziehrung weist außerdem darauf hin, dass der Krug nicht zum Kochen benutzt worden sein kann, da sich die Paste in dem Fall ausdehnen und abfallen würde. Doch der Krug weist noch eine Besonderheit auf: an dem Krug ist ein Bruch an der Vorderseite mit einer sichtbaren Reperaturstelle versehen. Hier wurde versucht ein Riss oder ein ausgebrochenes Stück mit Birkenpech zu kitten. Im Gegensatz zum einfachen Zusammenbinden von Bruchstellen, wie sie Tobias in seinem Blogbeitrag bereits beschrieben hat, ermöglichte die Versiegelung mit Birkenpech eine wasserdichte Reparatur. Dadurch konnte das Gefäß weiterhin für Flüssigkeiten genutzt werden. Es handelt sich also um ein Trinkgefäß. Das daraus getrunken wurde erkennt man auch an den Abdrücken von Schneidezähnen, die man auf der Innenseite der Reparaturstelle sehen kann. Das ist besonders bemerkenswert da nur sehr selten so persönliche Spuren eines Menschen aus dieser Zeit erhalten bleiben.

 

Keramikgefäß mit Reparaturstelle
Thorsten Jakobitsch - ÖAI