Kratzen, Schneiden, Klopfen - Steinwerkzeuge aus Willendorf
Sofia Jungmann beschäftigt sich im FFG-Praktikum mit Steinwerkzeugen aus der Altsteinzeit. Ihre Objekte stammen aus verschiedenen Fundstellen in Willendorf und sind Teil des UNESCO-Welterbes "Wachau".
Kratzen, Schneiden, Klopfen - Steinwerkzeuge aus Willendorf
Nachdem Tobias und ich die Arbeit an den prähistorischen Werkzeugen aufgeteilt haben, schreibe ich heute über drei steinzeitlichen Objekte aus Willendorf und Teil des UNESCO-Welterbes "Wachau". Er bearbeitet die Objekte aus den kupferzeitlichen Pfahlbaufundstellen, zu denen es einen eigenen Blogbeitrag gibt. Bei meinen Objekten handelt es sich um unterschiedliche Werkzeuge aus verschiedenen Steinarten, die in der Altsteinzeit genutzt wurden, um dem Nutzer oder der Nutzerin das Leben zu erleichtern. Ich habe mich für diese Objekte entschieden, weil sie mir am interessantesten erschienen. Beschäftigt man sich etwas näher mit den Funden, stellt man nämlich fest, dass wir manche von ihnen auf eine ähnliche Art immer noch nutzen.
Das erste Objekt stammt aus der Fundstelle Willendorf 2 und ist ein Klopfstein. Gefunden wurde er in der Kulturschicht 8, was bedeutet, dass das Objekt ca. 30.000 Jahre alt ist. Solche Steine wurden durch die Steinzeit hindurch für verschiedene Tätigkeiten verwendet: unter anderem für das Mahlen von Korn während der Jungsteinzeit, aber bereits davor beispielsweise für das Aufklopfen von Nüssen oder das Zerreiben von Pigmenten für die Herstellung von Farbe.

Mich erinnert das Werkzeug an einen Stößel, wie wir sie heute noch in der Küche verwenden, um Gewürze klein zu reiben, jedoch eine übergroße Variante. Für diesen Nutzen kann nicht jeder Stein verwendet werden. Es braucht Steine, die eine runde bis ovale Form haben und damit gut in der Hand liegen. Sie brauchen eine gewisse Größe, müssen hart sein und wenig Abrieb erzeugen. Zum Klopfstein gehört manchmal ein Unterleger, ein sogenannter Reibstein. So wird z.B. das Korn oder die Pigmente auf den Reibstein gelegt und durch Vor- und Rückbewegungen des Klopfsteins gemahlen.
In meinem Fall ist der Klopfstein 8 cm lang und ca. 7 cm breit, also sehr rund. Klopfsteine werden durch alle Zeiten hindurch für verschiedene Tätigkeiten verwendet. Sehr alte Beispiele sind etwa zwischen 65-53.000 Jahre alt und wurden in Südost-Australien gefunden. Generell tauchen die ersten Mahlsteine für das Ermahlen von Wildgetreide aber erst am Ende des Epipaläolithikums auf. In Mitteleuropa treten sie erst im Neolithikum also ca. 5600-5500 v. Chr. in Erscheinung. Denn das habe ich auch gelernt bei meiner Recherche: Erfindungen und Technologie wandern. Ackerbau und Viehzucht beginnt im Alpenraum später als an anderen Orten der Welt.
Das zweite Objekt, das ich beschreiben möchte, ist eine retuschierte Klinge. Das ist ein Steinwerkzeug das nach dem Abschlag, gezielt nachgearbeitet wurde. Gefunden wurde das Objekt in derselben Schicht wie der Klopfstein und ist damit genauso alt. Klingen wurden hauptsächlich aus Feuerstein hergestellt, aber auch aus anderen Materialien wie Quarz, Quarzit, Schiefer, Kieselschiefer und seltener aus Rhyolith. Solche Klingen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: rundlich spitze bis langovale mit rauten– und keilförmigen Umrissen oder lang-schmale, stabförmige Klingen. Der Großteil hat die erste Form, letztere machen eher die Minderheit aus. Mein Objekt ist aus gebänderten Jaspis und ca. 5,4 cm lang und an der breitesten Stelle 3,3 cm breit.

Retuschierte Klingen wurden vermutlich als ein kleines Messer verwendet, um beispielsweise Fleisch zu schneiden oder Holz zu bearbeiten. Auch wenn unsere Messer heute ganz anders aussehen, werden sie auf eine ähnliche Weise verwendet. Besonders interessant finde ich, dass Steine die bereits in der Altsteinzeit verwendet wurden, wie Obsidian, noch heute bei Operationen zum Einsatz kommen. Obsidian-Skalpelle werden unter anderem in der Schönheitschirurgie wegen ihrer extrem scharfen Bruchkanten und der Fähigkeit, präzise Schnitte zu ermöglichen, geschätzt. Diese Eigenschaften führen zu weniger Gewebeschäden und einer schnelleren Wundheilung. Stein ist eben ein Material für die Ewigkeit.
Das letzte Objekt, mit dem ich mich beschäftige, ist ein Kratzer aus der Fundstelle Willendorf 1, jedoch ist das Alter der Kulturschicht nicht bekannt in der er gefunden wurde. Bei dieser Fundstelle fehlen uns naturwissenschaftliche Datierungen, deshalb wissen wir heute nicht genau wie alt das Objekt ist. Aufgrund der Form ist es aber eindeutig ein Kratzer. Solche Werkzeuge wurden aus Klingen, Abschlägen oder in selten Fällen auch aus Trümmerstücken die aus Feuerstein, Radiolarit, Quarzit, Quarz, und anderen feinkörnigen Gesteinen, wie z.B. Obsidian hergestellt. Kratzer konnten zur Holzbearbeitung verwendet werden, indem man mit Druck an der Oberfläche das Holz „abgekratzt“ hat. Er konnte auch zur Bearbeitung von Knochen, Elfenbein oder Geweihen verwendet werden. Sie wurden auch zum Schaben und Glätten von Materialien verwendet. Es gibt jedoch spezielle Werkzeuge, die sich für solche Arbeiten besser eignen, wie ein Schaber, welcher sich vom Kratzer nur in der Länge und der Schmalseite in seiner Grundform unterscheidet. Mein Kratzer hat eine Länge von 4,2 cm und eine Breite von 2,3 cm, gemacht wurde er aus einem Stück Radiolarit und hat eine schöne bräunliche Farbe.
