Haselnüsse und Bucheckern
Susanne Heimel

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Organik aus der Jungsteinzeit

Welterbe
Vermittlung
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Wien

Das letzte Gewinnspiel in unserem Pfahlbauten-Adventkalender wartet morgen, am Adventsonntag, auf euch! Zeit etwas mehr über die Objekte von dieser Woche zu sprechen und warum die Feuchtboden- und Unterwasserfundstellen so ein Schatz für die Erforschung der Urgeschichte sind.

Pfahlbauten-Adventkalender – Das Thema der Woche

Organik aus der Jungsteinzeit

In der dritten Adventwoche widmen wir uns einem Schatz, der nur unter ganz besonderen Bedingungen erhalten bleibt – den organischen Überresten aus den neolithischen Pfahlbausiedlungen. Während Stein, Keramik oder Metall Jahrtausende überdauern kann, vergehen Materialien wie Holz, Knochen, Leder, Pflanzenreste oder Geweih in den meisten archäologischen Kontexten spurlos.

In den Fundstellen des UNESCO Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ ist das anders: Die nassen, sauerstoffarmen Sedimente am Seegrund schaffen ein Archiv, das einzigartig in Europa ist. Hier bleiben selbst feinste organische Strukturen erhalten – und mit ihnen direkte Einblicke in Umwelt, Ernährung, Handwerk und Alltagsleben der Menschen vor bis zu 7000 Jahren.

Ein Bild unter Wasser von Überresten einer Pfahlbausiedlung. Pfahlreste, die aus dem Seeboden ragen
Kuratorium Pfahlbauten.

Überreste der Pfahlbausiedlung See am Mondsee, entdeckt 1872 von Matthäus Much

Unter solchen Bedingungen überdauern Dinge, die wir sonst nie zu Gesicht bekommen würden: Holzgeräte mit Bearbeitungsspuren, Textilreste, Samen, Früchte, Tierknochen (sogar Tierkot), Geweihwerkzeuge, ja sogar Tannenzapfen oder Apfelhälften. Diese Funde machen die Pfahlbauten zu einem Fenster in die organische Welt der Jungsteinzeit, die uns ohne sie weitgehend verborgen bliebe.

Tierknochen – Begleiter, Nahrung, Rohstoff

Tierknochen sind mehr als nur Speiseabfall. Sie erzählen so einiges über die Haustierhaltung und Tiernutzung und damit über die Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten der Menschen über ein Jahr verteilt. Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine bildeten die Grundlage der neolithischen, bäuerlichen Tierwirtschaft. Knochenfunde geben Aufschluss über das Alter, Geschlecht, Schlachtzeitpunkte und Nutzung der Tiere. Funde von Wildschwein-, Hirsch- oder Bärenknochen belegen, dass neben den Haustieren die Jagd weiterhin eine wichtige Ergänzung zum Speiseplan war.

Auf einem gelben Tablett liegen 5 Knochen mit den entsprechenden Fundzetteln
Doris Jetzinger - Team Zeitensprung

Eine Auswahl von Knochenfunden der Grabungskampagne 2018, Mooswinkel. 

Auch Hunde waren feste Bestandteile der Siedlungen, als Jagdhelfer, Hüter und Wachtiere. Doch hin und wieder landeten auch sie am Esstisch, wie Schnittspuren an ihren Knochen zeigen. Schnittmarken, Brandspuren oder Bohrlöcher an den Tierknochen geben zudem Aufschluss darüber wie Tiere zerlegt wurden, welche Werkzeuge dabei zum Einsatz kamen oder welche Teile des Tieres zu Schmuck oder Werkzeug weiterverarbeitet wurden. So entsteht ein detailliertes Bild der Beziehung zwischen Mensch und Tier – von der Haltung bis zur symbolischen Nutzung.

Ein Hundeschädel in der Vitrine des NHM Wien.
Helena Seidl da Fonseca
Pflanzenreste – Ernährung und Umwelt im Detail

Pflanzliche Überreste liefern Informationen, die kaum eine andere Fundkategorie bieten kann. Beeren, Nüsse, Kräuter und wilde Früchte – wie Äpfel – zeigen, welche natürlichen Ressourcen die Menschen nutzten. Funde von verkohlten Apfelhälften zeigen wie eine frühe Form gezielter Selektion von Obstpflanzen unsere späteren Kultursorten prägten. Emmer, Einkorn und Gerste zeigen, wie der Mensch durch den gezielten Anbau von bestimmten Sorten die Entwicklung von Pflanzen beeinflusste. Untersuchungen von Hölzern, Zapfen und Rindenresten ermöglichen Aussagen über die damalige Waldzusammensetzung, Klimaverhältnisse, saisonale Nutzungen und Landschaftsveränderungen durch menschliche Eingriffe. Selbst winzige Reste von Pollen in den Seesedimenten können aufzeigen, welche Pflanzen in unmittelbarer Umgebung des Sees wuchsen.

Mit solchen Pflanzenresten wird nachvollziehbar, wie der Mensch bereits vor Jahrtausenden die Umwelt gestaltete – und wie diese Umwelt im Gegenzug seine Lebensweise prägte.

6000 Jahre alte, verkohle Apfelhälften.
Susanne Heimel

6000 Jahre alte, verkohle Apfelhälften aus der Siedlung Mooswinkel, Mondsee.

Geweih, Knochen, Bast & Co

Weitere organische Materialien zeigen, wie kreativ und spezialisiert die Menschen vor über 5000 Jahren arbeiteten. Geweih weißt robuste und dennoch elastische Eigenschaften auf und wurde im Werkzeugbau gerne eingesetzt, beispielsweise als Zwischenfutter zur Schäftung von Steinbeilen. Dadurch federt das Geweih Stöße beim Schlagen ab und schont damit den Stein und den Schaft. Diese technisch hochentwickelte Lösung reduziert die Gefahr, dass die Steinklinge splittert oder bricht, der Schaft reißt, oder die Klinge herausrutscht. Diese Technik wurde in der Jungsteinzeit bewusst eingesetzt und ist vor allem durch Funde aus Pfahlbausiedlungen im Schweizer Raum belegt.

Reste von Knochenwerkzeugen zeigen, wie Tierknochen vor allem für Werkzeuge zu feineren Arbeiten verwendet wurden, beispielsweise als feine Meißel oder Nadeln. Bastgewebe verraten uns mehr über Kleidungstechniken und Gebrauchsgegenstände, wie Körbe, Schnüre und Knotentechniken. 

Detailansicht Rand mit Nähfaden
Elisabeth Nagy

Basthut aus der Siedlung Mooswinkel, Detailansicht des Randes mit Nähfaden.

Holzartefakte zeigen handwerkliche Präzision in der Herstellung von Werkzeugen und Gebrauchsgegenständen, ebenso wie Techniken im Konstruktions- und Bootsbau. Berühmte Holzfunde sind beispielsweise die Holztür eines Hauses aus der Fundstelle Zürich Opera (CH), das älteste Holzrad Europas aus Ljubljana (SLO) oder Einbaumfunde aus dem Federseemoor (D).

Solche organischen Funde aus der Jungsteinzeit sind darum besonders interessant für die Wissenschaft und erzählen weit mehr über das Leben und das Wissen der damaligen Menschen als jeder - auch noch so schön glänzende - Goldschatz.

Holzrad und Speiche aus Ljubljana, Slowenien
Fiona Leipold

Neolithisches Holzrad und Speiche aus Ljubljana, Slowenien.