Führung durch die Prähistorische Abteilung
Helena Seidl da Fonseca, Kuratorium Pfahlbauten

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Objekte erzählen Geschichten

Am 14. Juli 2025 beginnt für zehn Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schultypen aus Österreich das vierwöchige Sommerpraktikum „Welterbe digital serviert“. 

Start ins FFG-Talentepraktikum 2025 "Welterbe digital serviert"

Objekte erzählen Geschichten

Wir alle nutzen jeden Tag verschiedene Gegenstände. Manche haben wir jeden Tag in der Hand, wie beispielsweise meine Kaffeetasse am Morgen. In meiner Küche hätte ich verschiedene zur Auswahl. Zu jeder könnte ich eine kleine Geschichte erzählen: Manche waren ein Geschenk, manche stammen noch aus der Studienzeit und sind Erbstücke von vorherigen Mitbewohner:innen, ein paar kleine mit Tierfiguren für die Kinder und auf einer steht „Ich liebe meine Frau, weil sie mich zocken lässt“. Selbst wenn Fremde zu Besuch wären, würde ihnen diese Tasse einiges über meinen Mann und mich verraten. Mit anderen Gegenständen beschäftigen wir uns eher seltener, zum Beispiel mit dem Fotoalbum im Bücherregal. Wenn wir es jedoch tun, schwelgen wir in Erinnerungen, und die Fotos lösen große Emotionen aus. Manche Objekte haben für uns einen besonderen Wert, der für andere vollkommen uninteressant scheint, wie die Gesteinssammlung meines Mannes im Keller, die er auf diversen Geologie-Exkursionen zusammengetragen hat (wie oft wollte ich die schon entsorgen …).

Ich stelle Ihnen folgende Aufgabe: Sie treten eine neue Arbeitsstelle an und sollen zur Vorstellung im Team einen Gegenstand von zu Hause mitbringen. Das kann alles Mögliche sein: etwas, das Sie täglich verwenden, wie etwa Ihre Kaffeetasse, etwas mit besonderer Bedeutung oder ein Mitbringsel aus dem Urlaub. Bei der Vorstellungsrunde am ersten Arbeitstag stellen Sie sich und den Gegenstand bzw. die Geschichte hinter ihm vor. Welches Objekt würden Sie wählen?

Genau diese Aufgabe haben wir unseren Praktikant:innen für ihren ersten Arbeitstag gestellt. Am 14. Juli 2025 beginnt für zehn Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schultypen aus Österreich ein vierwöchiges Sommerpraktikum zum Thema „Welterbe digital serviert“. Das Praktikum wird von der FFG gefördert und ist ein Projekt der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien und des Kuratoriums Pfahlbauten.

In den kommenden Wochen werden wir uns also viel mit Objekten beschäftigen. Vor allem mit solchen, die vor vielen Jahrtausenden benutzt wurden. Dabei kommen die Teilnehmenden mit Objekten aus zwei österreichischen Welterbestätten in Berührung: dem Welterbe „Wachau“ mit dem Fundplatz Willendorf sowie dem Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ mit Fundstellen aus dem Attersee, dem Mondsee und dem Keutschacher See. Im Praktikum lernen die Schülerinnen und Schüler, mittels 3D-Scanner digitale Zwillinge von prähistorischen Artefakten anzufertigen und die Geschichten zu den jeweiligen Objekten zu recherchieren. Für die Menschen, die diese Objekte verwendeten, hatten sie sicherlich eine Bedeutung oder zumindest einen bestimmten Nutzen. 

Viele dieser Geschichten gehen verloren, sobald die Erzähler:innen nicht mehr da sind. Doch manche lassen sich auf gewisse Weise rekonstruieren. So lässt sich beispielsweise ableiten, dass die Steine in unserem Keller zu verschiedenen Fundorten gehören und die Art und Weise, wie sie verpackt und beschriftet sind, auf ein Sammelverhalten schließen lässt. Welchen anderen Nutzen haben diese wertlosen, aber liebevoll eingetüteten Gesteinsarten aus verschiedenen Regionen? Andere Objekteigenschaften können überinterpretiert werden, wie der Spruch auf der Kaffeetasse: „... weil sie mich zocken lässt“. Haben Frauen die Macht, ihren Männern ihre Freizeitbeschäftigungen zu verbieten? Spricht das für ein unausgewogenes Machtverhältnis in Beziehungen zu Ungunsten der Männer? Auch wenn die Fundstücke, mit denen wir uns im Praktikum auseinandersetzen werden, aus einer schriftlosen Zeit stammen, treiben manche Interpretationen durchaus kreative Blüten. Gemeinsam mit den Schüler:innen wollen wir uns darüber Gedanken machen. Welche Funktion hatten die Objekte? Was erzählen sie uns über das Leben der Menschen von damals? Was sehen wir in diesen Fundstücken? Denn jedes Objekt erzählt eine Geschichte, der wir auf den Grund gehen werden.

Die Schüler:innen werden die Arbeitsschritte und Ergebnisse ihres Praktikums in Blogbeiträgen auf unseren Social-Media-Kanälen, im PfahlbauKompass sowie im 3D-Museum des NHMW präsentieren. Wir laden Sie herzlich ein, unseren Weg mitzuverfolgen.

Zunächst stellen sich die Teilnehmenden auf unserer Instagram-Seite zusammen mit den von ihnen mitgebrachten Objekten vor. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!