Haushaltswaren und Keramik der Jungsteinzeit
Die zweite Adventwoche geht zu Ende und morgen erwartet euch wieder das Gewinnspiel am Adventsonntag! Diese Woche widmeten wir der Vorstellung der Materialgruppe „Keramik“ die nicht nur den Alltag der Menschen im Spätneolithikum prägte, sondern auch der Archäologie neue Einblicke in die Vergangenheit bietet.
Haushaltswaren und Keramik der Jungsteinzeit
Hinter jedem Türchen steckt Geschichte – und in der zweiten Adventwoche widmeten wir uns den Dingen, die nicht nur den Alltag der Menschen in den jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen prägten, sondern sogar als eine Art Motor für technologische Innovationen wirkte: Haushaltswaren aus Ton.
Keramik ist eine der neuen Materialgruppen der Jungsteinzeit. Mit dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht änderten sich auch die Anforderungen an den Haushalt. Für Vorratshaltung und die Verarbeitung von neuen Lebensmitteln benötigte man feuerbeständige und wieder verwendbare Behälter. Keramik bot dafür ideale Eigenschaften, denn ungebrannt ist Ton formbar und eignet sich zur Herstellung vieler Gefäßarten und Gegenstände.
Rekonstruierte Gefäße der Mondsee-Gruppe.
Je nach Aufbereitung des Tons können Keramikobjekte verschiedene Funktionen erfüllen. Keramik kann dabei sehr hitzebeständig werden und eignet sich auch für das Kochen, Erwärmen und sogar Backen von Nahrungsmitteln, schließlich besteht auch ein neolithischer Backofen Großteils aus Ton. Wird die Oberfläche eines Keramikgefäßes richtig behandelt, beispielsweise geglättet, hält es auch Flüssigkeiten. Je nach Arbeitsaufwand kann ein Keramikgefäß sehr schnell produziert werden, oder es kann ein mit aufwändigen Verzierungen versehenes, prestigeträchtiges Sonderstück entstehen.
Krug aus der Siedlung See am Mondsee, OÖ.
Keramik war also nicht nur funktional, sondern erfüllte auch ästhetische Ansprüche der damaligen Menschen. Für die Archäologie eröffnet sich mit dieser Materialgruppe dadurch ein neues Sichtfeld in die Vergangenheit. Urgeschichtliche Kulturgruppen definieren sich häufig vor allem am Aussehen und den Unterschieden ihres Keramikgeschirrs und lassen neue Interpretationen über das Leben damaliger Gesellschaften zu.
Beispielsweise zeichnet sich die Keramik aus neolithischen Pfahlbausiedlungen im Raum Oberösterreich durch symbolische Motive, wie Strahlenornamente, Wellenbänder und Dreiecke aus, die durch eine weiße Kalkpaste nach dem Brand verfüllt werden. Diese Verzierungsmethode nennt sich Inkrustation und bewirkt, dass die feinen Linienmuster kontrastreich von dem dunkel gebrannten Ton hervortreten.
Krug aus der Siedlung im Keutschacher See, Kärnten.
Keramik aus zeitgleichen Pfahlbausiedlungen im Raum Kärnten sieht anders aus. Es finden sich hier zwar auch Spuren von Inkrustierungen in den Verzierungen, doch waren vor allem sogenannte Tannenreismuster oder spiralförmige Girlandenmotive beliebt. Auch der Ton wurde feiner aufbereitet und es handelt sich im Allgemeinen um hochwertiger produzierte Keramik, als jene der nördlicher gelegenen Pfahlbausiedlungen. Durch den systematischen Vergleich des Aussehens, des Materials und der Herstellungsart entsteht eine sogenannte Typologie von Keramik. Dadurch werden die Objekte regional und zeitlich zuordenbar und Archäolog:innen können Kulturgruppen definieren.
Findet sich nun untypische Keramik an einem Fundplatz kann die entsprechende Kulturgruppe gefunden werden und so werden beispielsweise Handelsbeziehungen, die vor 5000 Jahren bestanden, sichtbar.
Anders als heute war das Keramikgeschirr ein wertvoller Besitz. Wenn etwas zerbrach, warf man es nicht einfach weg. Reparaturstellen und sogenannte Flickungen an Keramikstücken kommen darum relativ häufig an neolithischen Keramikgefäßen vor. Archäologische Funde zeigen verschiedene Techniken zur Reparatur von Keramik, wie nachträglich gebohrte Löcher zur Schnürreparatur oder Birkenpechstellen zur Abdichtung von Rissen oder Rekonstruktion von Fehlstellen.
Reparaturstelle aus Pech
Besonders spannend ist die Rolle keramischer Haushaltswaren in Bereichen, die wir heute nicht intuitiv damit verbinden würden. Beispielsweise ihre Anwendung in der Metallurgie. Hier dienten große keramische Gusslöffel zum Schmelzen von Kupfer und Gießen erster Metallgegenstände. Oder die Verwendung von Tongegenständen in Verbindung mit Textilherstellung. Tonkugeln mit Loch, dienten als Spinnwirtel und ermöglichten einen stabilen Drehdrall und damit die Produktion von Fäden. Andere Tonobjekte fungierten als Webgewichte für einen Webstuhl und sind bei Ausgrabungen oft die letzte fassbare Spur eines solchen Gerätes zur Herstellung von Textilien.
Keramik war also ein Material, das weit über das Kochen und Aufbewahren hinaus Bedeutung hatte. Die Objekte dieser Woche machen deutlich, wie zentral Keramik im Alltag der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlungen war. Ob Trinkkrüge, Vorratsgefäße, Werkzeuge oder metallurgische Geräte – Ton war allgegenwärtig. Die Verzierungen erzählen von kulturellen Traditionen, die Reparaturen von der Wertschätzung der keramischen Gegenstände, und Spuren der Nutzung geben uns einen direkten Blick in das Leben vor über 5000 Jahren.
So öffnet sich hinter jedem Türchen nicht nur ein Objekt – sondern ein erhaltenes Stück, das eine Jahrtausende alte Vergangenheit lebendig erscheinen lässt.
Literaturnachweis:
Samonig B. Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich, Materialien II: Die Pfahlbaustation des Keutschacher Sees. In: Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 51, 2003.
Lochner M. Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich, Materialien I: Die Pfahlbaustationen des Mondsees, Keramik; In: Mitteilungen der Prähistorischen Kommission, Band 32, 1997.