Aus der Wildnis in unsere Hände – Die Spuren des Hirsches
Christoph Scheiflinger stellt uns zwei außergewöhnliche Fundstücke vor, die die jahrtausendealte Verbindung zwischen Mensch und Hirsch auf ganz besondere Weise aufzeigen. Hirsche symbolisieren Stärke und Anmut und dienen den Menschen als Jagdbeute und Nahrungslieferant. Doch damit nicht genug: Ob als Werkzeug in der Steinzeit oder als prachtvoller Geweihschmuck in heutigen Jagdstuben – die Spuren dieser Verbindung sind tief in unserer Geschichte verankert.
Aus der Wildnis in unsere Hände – Die Spuren des Hirsches
Hirsche sind majestätische Tiere, bekannt für ihre Geweihe und ihre enge Verbindung mit dem Menschen. Denn noch heute hängen in den Jagdstuben Geweihe der erlegten Hirsche und ist ein schmackhaftes Wildgericht auf der Speisekarte in einem Restaurant ein Zeichen für traditionelle und gute Küche. Daher habe ich mich entschieden, zwei prähistorische Fundstücke näher zu erforschen.
Geweihhacke aus dem Neolithikum
Dieses bemerkenswerte Geweihstück mit 6000 Jahre alten Bearbeitungsspuren von Menschen wurde im Jahr 1893 bei „Ausgrabungen“, allerdings waren das damals eher Baggerungen vom Boot aus, in Weyregg I am Attersee entdeckt, einer archäologisch bedeutsamen Fundstelle am Ostufer des Attersees in Oberösterreich. Die Untersuchungen fanden im Rahmen der damaligen prähistorischen Forschungen statt und brachten zahlreiche neolithische Artefakte ans Licht. Die Geweihhacke datiert in das Neolithikum (Jungsteinzeit), in die Mondsee-Kultur (etwa 3800-3400 v. Chr.), eine Periode, in der sich sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter am Attersee niedergelassen hatten.
Die Provenienzgeschichte dieses Stücks ist besonders faszinierend: Nach seiner Entdeckung wurde es zunächst Teil des kaiserlichen Münz- und Antikenkabinetts der Habsburger, was bedeutet, dass es zur prestigeträchtigen Sammlung des österreichischen Kaiserhauses gehörte. Später ging diese Sammlung in der prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums auf. Diese Objektgeschichte spiegelt die Entwicklung der österreichischen Museumslandschaft wider - von privaten kaiserlichen Sammlungen hin zu öffentlichen wissenschaftlichen Institutionen.
Das Geweihstück zeigt deutliche Bearbeitungsspuren: In der Mitte wurde ein präzises, rundes Loch gebohrt und das gegenüber liegende Ende wurde zu einer Schneide angeschliffen. Diese Bearbeitungen deuten darauf hin, dass das Geweih als Werkzeug, höchstwahrscheinlich als Axt, verwendet wurde. Diese Funktion zeigt die praktische Nutzung von Tiermaterialien in der Jungsteinzeit, denn Hirsche wurden nicht nur zur Nahrung gejagt, sondern deren Knochen auch zur Herstellung von Gegenständen genutzt. Besonders das Geweih ist eines der härteren und widerstandsfähigeren Materialien das von einem Hirschen gewonnen werden kann. Eine Geweihhacke kann als Waffe oder als Werkzeug zum Zerlegen von Jagdbeute, zum Graben und Wühlen oder zum Hacken im Bergbau verwendet werden. Nicht weit weg vom Attersee im Salzbergwerk Hallstatt wurden ebenfalls mehrere Geweihhacken gefunden. Sie dienten dazu Salz aus dem Berg zu hacken.
Riesenhirschgeweih aus dem Paläolithikum
Dieses außergewöhnliche Fundstück stammt aus Willendorf 2, der weltberühmten paläolithischen Fundstelle in Niederösterreich, die vor allem durch den Fund der Venus von Willendorf bekannt wurde.
Das Geweih wurde in der 8. Schicht gefunden und datiert etwa 30.000 Jahre vor heute ins Gravettien, eine Kultur des späten Paläolithikums. Die stratigraphische Zuordnung zur 8. Schicht ist von besonderer Bedeutung, da diese Schicht eine der reichsten Fundschichten von Willendorf 2 darstellt und wichtige Einblicke in das Leben der eiszeitlichen Jäger und Sammler bietet.
Die Fundumstände weisen darauf hin, dass das Geweih möglicherweise gezielt gesammelt und nur leicht bearbeitet wurde, was auf eine bewusste Auswahl und Nutzung durch die damaligen Menschen hindeutet.

Riesenhirsch vs. heutiger Hirsch
Der Riesenhirsch war deutlich größer als heutige Hirsche, mit Geweihen bis zu 4 Meter Spannweite. Er lebte in offenen Landschaften und starb vor 7.600 Jahren durch Lebensraumverlust nach der Wiederbewaldung aus.
Rothirsch heute
Der Rothirsch ist heute weit verbreitet und dient als Jagdwild. Sein Name leitet sich von der rötlichen Fellfarbe ab. Während er früher in offeneren Landschaften lebte, bewohnt er heute hauptsächlich in Wäldern.
Hirsche dienten den Menschen also bereits seit der Altsteinzeit in vielerlei Hinsicht. Meine zwei Fundstücke zeigen eindrucksvoll wie Bedeutsam der Hirsch für die Mensch von damals war und welche Rolle er in seinem alltäglichen Leben spielte.