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Lobbying und Schnappatmung auf der Tagung des Netzwerks Archäologie Schweiz

26. Juni 2018

Letztes Wochenende habe ich in der Schweiz verbracht. Ich war vom Netzwerk Archäolgie Schweiz eingeladen worden, über „Bloggen, Blogs und BloggerInnen in der Archäologie" zu sprechen. Das Netzwerk Archäologie Schweiz ist eine informelle Arbeits- und Diskussionsplattform, die allen archäologischen Organisationen und Gesellschaften der Schweiz offen steht. Das Netzwerk hat dieses Jahr seine zweite Tagung veranstaltet. Unter dem Motto „Was hat Archäologie mit mir zu tun?“ stand sie ausdrücklich Fachleuten wie Interessierten offen.

Mich haben viele Vorträge sehr beeindruckt. Eine tolle Darlegung über Notwendigkeit und Umsetzung von Lobbying zum Beispiel bot Andrea Schaer. Dass wir im Kulturbereich - genauso wie alle anderen NPOs – natürlich Lobbying brauchen und dass das bitte professionell gemacht werden muss, hat sie glasklar aufzeigen können. Das war der erste Vortrag, dem ich vollständig folgen konnte, denn ich hatte mich ein wenig verspätet und damit leider sowohl Cornelius Holtorfs Präsentation als auch den Eröffnungsvortrag von Marc Antoine Kaeser verpasst, die mich beide sehr interessiert hätten.

Begeistert hat mich auch der Vortrag von Miroslav Novak, von der Universität Bern. Er hat sehr schön darlegen können, welche Bedeutung es für den Erhalt des Kulturerbes in Syrien hat, wenn man mit den Leuten vor Ort entsprechend arbeitet. Er hat gezeigt, dass es einen messbaren (!) Unterschied macht, wenn man sie nicht nur als ArbeiterInnen für einfache Tätigkeiten anheuert, sondern sie ernst nimmt und einbindet. Ich habe natürlich gleich um ein Posting für unseren Blog gebeten und hoffe sehr, dass man das bald hier lesen kann.  

Auch sehr gefallen hat mir der Vortrag von Urs Leuzinger, der eine Lanze für die Freiwilligen brach, was ich umso angenehmer fand, nachdem ein anderer Vortrag zuvor bei mir eine leichte Schnappatmung ausgelöst hat. Der vorherige Referent hatte ein sehr traditionelles und wenig schmeichelhaftes Bild von jenen Menschen gezeichnet, die an Archäologinnen und Archäologen herantreten und sich engagieren wollen. In dieser Deutlichkeit hatte ich das lange nicht mehr gesehen. Den Aufhänger bildeten okkulte Praktiken bei der Befundidentifizierung durch eine Nicht-Archäologin. Ja, solche Dinge gibt es tatsächlich, und auch mein Gehirn kreischt vor Schmerz und weigert sich, wenn es das als ernsthaften Erkenntnisgewinn anerkennen soll. Das ist allerdings nur das eine Ende der Skala, wenn es um die Zusammenarbeit mit Interessierten geht. Am anderen Ende warten Citizen Scientists wie etwa Karl Heinz Czech, der der österreichischen Pfahlbauforschung unschätzbare Dienste erwiesen hat, oder Christoph Baumgartner vom Netzwerk Geschichte Österreich, der mehr über Fibeln weiß, als ich je wissen werde. Die große Masse der Interessierten liegt zwischen diesen Extremen und ich fand es schade, dass im Vortrag weder die Vorzeigebeispiele noch diese große Masse sichtbar wurde, sondern eben nur die Negativbeispiele.

Es wurde außerdem anhand medialer Darstellungen das Bild der Archäologie in der Öffentlichkeit erklärt. Es gab wieder die bekannten Stereotype. Lara Croft und Indiana Jones seien das, was sich die Öffentlichkeit unter einer Archäologin oder einem Archäologen vorstelle. Das wird wohl ebenso zum Teil stimmen, denn es dürfte ganz sicher auch Leute geben, die wirklich meinen, dass Archäologinnen und Archäologen so etwas tun. Persönlich glaube ich allerdings nicht, dass es viele sind, denn die Mehrheit unter uns vermag wohl kaum den Eindruck zu erwecken, sich alleine durch den Dschungel schlagen zu können oder es gar mit Kriminellen aufnehmen zu wollen – und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Ich habe gar nicht selten Menschen getroffen, die der Meinung sind, man müsse ganz schön dämlich sein, sich mit diesem „uralten Mist“ zu befassen, den heute doch niemand mehr brauche. Diese Leute blicken eher milde lächelnd auf unseren Berufsstand herab, in welchem man ja oft nicht einmal ausreichend verdient, um die eigenen Lebenshaltungskosten zu decken. In deren Augen sind wir Trottel, sonst nichts. Merkwürdig, dass ArchäologInnen dieses Bild, das in der Öffentlichkeit von ihnen ja genauso existiert, so viel seltener präsentieren, als die Jones und Croft-Variante. Die Meinung der Mehrheit würde ich jedenfalls auch da in der Mitte vermuten.

Das Cover eines Kinderbuches, das gezeigt wurde, war tatsächlich schwer zu ertragen. Wenn Holzbauten in Steinausführung gezeigt werden, ziehen sich auch meine Schultern in der Regel leicht zusammen und ich frage mich, warum man sich da nicht schlauer gemacht hat. Im Hinblick auf den Realitätsgehaltes der Darstellung habe ich mich allerdings trotzdem mehr am Einhorn im Vordergrund gestört.

Zu meinem Bedauern gab es auf der Tagung keinen Vortrag, den einE Citizen Scientist gehalten hätte. Dabei richtete sie sich ja eben nicht nur an Archäologinnen und Archäologen, sondern explizit auch an Interessierte und wie mir schien, waren auch tatsächlich beide Seiten etwa gleichstark vertreten.

Dieses Phänomen lässt sich leider immer wieder beobachten. Ich hatte es bei einer DGUF-Tagung in Berlin schon einmal in dem Kurzvortrag „Stolperfalle Codes“ angesprochen und auch dieses Jahr in München wieder neuen Input von Sigrid Peter durch ihren Vortrag "Die sitzen doch alle im Elfenbeinturm! Oder: Spannungsfelder in der Zusammenarbeit zwischen BürgerInnen und ForscherInnen“ dazu bekommen. Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass wir - wenn wir Interessierten ein echtes Angebot zum gegenseitigen Austausch machen wollen - das klassische Tagungsformat mit Vorträgen vermeiden sollten. Man käme da sicher weiter mit einem Barcamp bzw. zumindest mit Sessions im Barcampformat.

Ich fand die Tagung trotzdem sehr bereichernd und habe viele Anregungen mit nach Österreich nehmen können. Auch wenn ich die Sichtweise mancher nicht teilte, so habe ich es doch sehr genossen, dass so unterschiedliche Blickwinkel zusammenkamen. Meist spreche ich ja vor Leuten, die meinen Zugang ohnehin teilen. Filterblasen gibt es ja nicht nur im Netz. Was ich schön fand war, dass man sich aller Unterschiede zum Trotz am Ende doch recht sicher sein konnte, dass sich alle der Notwendigkeit einer Veränderung im Umgang mit der Öffentlichkeit bewusst waren.

Carmen Löw ist Archäologin und Kommunikationsexpertin. Im Kuratorium Pfahlbauten kümmert sie sich unter anderem um die Redaktion des Pfahlbauten-Weblogs.

22 Pfahlbaufundstellen befinden sich rund um den Bieler-, Murten- und Neuenburgersee. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
22 Pfahlbaufundstellen befinden sich rund um den Bieler-, Murten- und Neuenburgersee. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Miroslav Novak zeigte beeindruckende Ergebnisse zum Aufbau einer sozialen Kontrolle in Syrien.  (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Miroslav Novak zeigte beeindruckende Ergebnisse zum Aufbau einer sozialen Kontrolle in Syrien. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Die aktuelle Sonderausstellung im Latènium ist sehenswert. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Die aktuelle Sonderausstellung im Latènium ist sehenswert. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Führung im Außengelände des Latèniums.  (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Führung im Außengelände des Latèniums. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Ein Salon archéologique im Latènium in Neuchâtel. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
Ein Salon archéologique im Latènium in Neuchâtel. (Bild: Carmen Löw - Kuratorium Pfahlbauten)
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