Kuratorium Pfahlbauten - Burgring 7, 1010 Wien
Tel.: +43 (0) 1 521 77 295, Email: info@pfahlbauten.at

Das Welterbefenster – Ein Blick auf Hausbau und Reisemöglichkeiten vor 6000 Jahren am Keutschacher See

7. August 2023

Mitten im Keutschacher See lebten vor 6000 Jahren Menschen in Pfahlbauten auf einer heute versunkenen Insel. Unter Pfahlbauten versteht man die Reste von Holzhäusern, die sich in Form von Pfählen, manchmal ganzen Pfahlfeldern an Seeufern, im Wasser oder im Moor erhalten haben. Diese Dörfer werden als Pfahlbauten bezeichnet, weil oft nur noch die in den Boden gerammten Pfähle der Häuser erhalten sind. Bei diesen Pfählen handelt es sich meist um die tragenden Teile der Gebäude. Sie stützten den Fußboden, das Dach oder bildeten einen Teil der Wandkonstruktion. Auf der Insel im Keutschacher See sind diese Pfähle von nur durchschnittlich 10-15 cm Durchmesser. Es handelte sich also um Bauten, die im feuchten Milieu sicher öfter repariert werden mussten. Die Menschen, die in solchen – auch als Seeufersiedlungen bezeichneten – Dörfern lebten, gehörten zu den ersten, die im alpinen Raum Äcker bestellten und Tiere züchteten. Doch die Vielzahl an Holzobjekten aus Pfahlbausiedlungen bergen nicht nur Informationen zum damaligen Hausbau, sondern auch die Mobilität, das bautechnische Wissen und anderer Möglichkeiten der Menschen in der Jungsteinzeit.

Wie viele Häuser gab es auf der Insel im Keutschacher See?

pfahlbauhaus_errichtung.png

Auf der 65 x 30 Meter großen Insel im Keutschacher See wurden 1684 Pfähle und größere liegende Hölzer vermessen. Durch die guten Erhaltungsbedingungen im Wasser können die urgeschichtlichen Hölzer sogar für eine dendrochronologische Datierung herangezogen werden. Anhand der Datierung der Pfähle lässt sich dann im besten Fall ein Hausgrundriss im Pfahlfeld ermitteln. Da die Bauten aufgrund des feuchten Umfelds häufig ausgebessert wurden, benötigt man Proben von möglichst vielen Pfählen, um einzelne Gebäudegrundrisse zu ermitteln. Bisher konnten aus dem Keutschacher See nur wenige Pfähle mit dieser Methode datiert werden. Aufgrund der begrenzten Siedlungsfläche wird jedoch angenommen, dass die Siedlung nicht allzu groß war und ca. 20 bis 50 Personen auf der Insel gelebt haben. Eine Datierung belegt allerdings eine Hauskonstruktion bereits im Jahr 3947/46 vor Christus. Damit galt die Fundstelle im Keutschacher See lange als älteste Pfahlbausiedlung Österreichs.

Wie sahen die Häuser auf der Insel aus?

Bei dem Baumaterial handelt sich um unbearbeitete Rundhölzer, teilweise noch mit intakter Rinde. Durch die Untersuchung der Pfähle sind die Holzarten bekannt, welche für den Hausbau verwendet wurden. Vor allem handelt es sich dabei um Laubhölzer, wie Eiche, Schwarzerle, Rotbuche, Birke, Linde, Pappel und Esche. Baumarten, die also auf der Insel und am Seeufer wuchsen. Alles spricht dafür, dass die Häuser schnell und ohne viel Bearbeitung der Pfosten errichtet wurden. Ob die Häuser dafür aufwendig geschmückt oder bunt angemalt waren, ob vielleicht Tierschädel oder andere Dekoration ihre Wände zierten, wissen wir nicht.

Trotz der guten Fundlage durch die Feuchtbodenerhaltung sind sehr viele Aspekte des urgeschichtlichen Pfahlbaus der Interpretation überlassen, da sich meist nur der untere Teil der Häuser in Resten erhält. Anhand verschiedener Funde an unterschiedlichen Seeufersiedlungen um die Alpen wissen wir, dass verschiedene Hausbauvarianten für die Fundstelle am Keutschacher See in Erwägung gezogen werden können. So gab es ebenerdige und vom Boden abgehobene Häuser mit Holz- oder Lehmstampfböden. Dächer aus Holzschindeln, Rindenbahnen, Stroh oder Grassoden und Wände in Blockbautechnik oder mit Flechtwerk und Lehmverputz.

Wie kamen die Bewohner:innen auf die Insel?handel.png

Da die Bewohner:innen immer wieder auch an Land mussten um zu sammeln, zu jagen, ihr Vieh zu hüten oder möglichen Tauschhandel zu betreiben benötigten sie wassertaugliche Gefährte. Sogenannte Einbäume sind die ersten und ältesten bekannten Wasserfahrzeuge. Ein Einbaumfund aus dem Keutschacher See ist zwar noch nicht entdeckt worden, doch gibt es welche aus umliegenden Mooren, welche die Nutzung dieses Fahrzeugs belegen.

Die meisten Strecken an Land wurden zur damaligen Zeit mit Sicherheit zu Fuß bestritten und ebenso die meisten Lasten auf dem eigenen Rücken getragen. Doch Holzfunde aus den Seeufersiedlungen beweisen auch die Nutzung von Wägen. Neben einem möglichen Modellrädchen aus dem Keutschacher See sind aus anderen Fundstellen, wie beispielsweise aus dem benachbarten Slowenien, tatsächliche Wagenradfunde bekannt. Diese Funde bezeugen die Verwendung von Wägen mit Holzrädern für den Transport von Waren.

Was uns 6000 Jahre alte Funde erzählen

Es gibt mehrere Möglichkeiten Funde zeitlich einzuordnen. Durch die in der Archäologie angewendete Typologie von Fundgattungen können Objekte bestimmten Zeiten und Regionen zugeordnet werden. Diese Methode funktioniert am besten, wenn mehrere Objekte in Verbindung miteinander gefunden werden, darum ist der sogenannte „Befund“, also der größere Zusammenhang, von großer Bedeutung.

Die Radiokarbonmethode, oder auch 14C-Datierung, ist eine naturwissenschaftliche Methode zur Altersbestimmung von organischen Materialien. Alle Objekte, die aus organischen Materialien hergestellt wurden, sind mit dieser Methode datierbar. Nicht datiert werden können zum Beispiel Stein- oder Metallobjekte. Hölzer, Pflanzenreste, Knochen, Textilien und dergleichen können jedoch mit einer Ungenauigkeit von ungefähr 50 Jahren zeitlich bestimmt werden. Entdeckt und entwickelt wurde diese Datierungsmethode von Willard Libby, der dafür 1960 sogar einen Nobelpreis in Chemie erhielt.

Noch genauer geht es mit Hilfe der Jahresringdatierung, der sogenannten Dendrochronologie. Mit dieser Methode lässt sich mitunter das Fälljahr eines Baumes, manchmal sogar die Jahreszeit genau bestimmen. Dabei werden die Breiten der Jahresringe eines Holzes gemessen. Das gemessene Muster von breiten und schmalen Jahresringen zeigt den Wechsel von klimatisch guten oder schlechten Wachstumsjahren. Durch den Vergleich mit Serien von Jahresringen anderer Hölzer bekannten Alters, die in der gleichen Region gewachsen sind, kann man nun bestimmen, wann ein Baum gefällt wurde. Für eine exakte Datierung müssen die Hölzer möglichst viele Jahresringe aufweisen. Durch überregionale und regionale Vergleichsserien lassen sich Abweichungen im Wuchs einzelner Bäume ausgleichen.

Wo befindet sich das Welterbefenster?

Du möchtest bei deiner nächsten Bootsfahrt mit noch mehr Wissen zu den ältesten Wasserfahrzeugen glänzen? Dann schau’ im Keutschacher-Gemeindeamt vorbei und wirf einen Blick in das Welterbefenster. Hier kannst du dir einen originalen Pfahl von einem Haus aus der urgeschichtlichen Pfahlbausiedlung und UNESCO-Welterbestätte aus dem Keutschacher See anschauen, sowie das hölzerne Modellrad.

Standort:
Gemeindeamt Keutschach am See, Keutschach 1, 9074 Keutschach am See

Öffnungszeiten:
Mo., Di., Do. 07:30-16:00 Uhr
Mi. 07:30-18:00 Uhr
Fr. 07:30-12:00 Uhr

(Stand: Juli 2023; bei einem Besuch kontrollieren Sie bitte nochmals die aktuellen Öffnungszeiten)

Das Welterbefenster ist eine Produktion des Kuratorium Pfahlbauten, dem Nationalen Management des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ in Österreich. Es dient zur kostenfreien Vermittlung des UNESCO-Welterbes und wurde vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Abt. 14 Kunst und Kultur des Landes Kärnten und der Kulturdirektion Oberösterreich gefördert. Das Vitrinendesign und der Aufbau stammen von Architekt Alexander Kubik, die Technik installierte Thomas Sandri, Screendesign und Programmierung erfolgte durch das Unternehmen lowfidelity – Heavy Industries. Die Funde stellten die Seebesitzerinnen Dr. Gundula Meßner und Anna Maria Meßner, MA, die Gemeinde Keutschach am See, sowie das Landesmuseum Kärnten zur Verfügung.

Zugehöriges Projekt

Die neue, interaktive Vitrine im Gemeindeamt Keutschach...

Anna Schantl studiert im Master Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien und hat einen Bachelor in Verpackungst

Helena Seidl da Fonseca arbeitet seit 2012 beim Kuratorium Pfahlbauten. Sie ist ausgebildete Forschungstaucherin und Grabungsleiterin im Forschungsprojekt Zeitensprung.

Das interaktive Welterbefenster präsentiert die Pfahlbauten von Keutschach. Bild: lowifdelity - heavy industries
Ein Pfahl aus der jungsteinzeitlichen Siedlung von Keutschach, der sich über fast sechs Jahrtausende im See erhalten hat. Bild: Kuratorium Pfahlbauten
1 von 2

Neuen Kommentar schreiben

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Internet- und E-Mail-Adressen werden automatisch umgewandelt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Weitere Informationen zur Erhebung und Speicherung ihrer Daten können sie der Datenschutzerklärung entnehmen

Fördergeber

 
Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

Die Fördergeber sind:

Partner und Sponsoren

   
Das UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ wird unterstützt durch: