13.04.2024 - 14:30

Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Das unterwasserarchäologische Monitoring im Keutschacher See 2020

12. November 2020

In der Mitte des Keutschacher Sees (Kärnten) befindet sich eine Untiefe, auf der vor ca. 6000 Jahren eine jungsteinzeitliche Siedlung stand. Sie ist Teil des UNESCO-Welterbes der „prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“. Dieses bedeutende Denkmal wurde vom Kuratorium Pfahlbauten in den letzten acht Jahren intensiv überwacht und begutachtet. Auch im Jahr 2020 wurde trotz der widrigen Umstände unter der Corona-Pandemie das alljährliche unterwasserarchäologische Monitoring durchgeführt. Nachdem unser Team in den Wochen zuvor in Oberösterreich einen sehr nasskalten Herbst erlebte, erwartete uns der Keutschacher See mit Sonnenschein und immer noch warmem Wasser, das sogar recht gute Sichtweiten aufwies. 

Es war der tatkräftigen Hilfe der örtlichen Wasserrettung (Johannes Spitzer und Daniel Walcher) zu verdanken, dass wir unser Forschungsboot überhaupt in den See hineinbekamen. Zu aufgeweicht waren die umliegenden Wiesen, um ohne Allradantrieb ein Boot slippen zu können. Unser   besonderer Dank gilt dem FKK- Großcamping Sabotnik (Peter Kaufitsch) am Keutschacher See, auf dessen Gelände wir unser Boot zu Wasser lassen durften. Wir möchten uns zusammen mit der Wasserrettung Keutschach dafür einsetzen, dass an einer öffentlich zugänglichen Stelle am See eine funktionsfähige Bootslipanlage eingerichtet wird.

Als vorübergehende Basis konnten wir dank des Entgegenkommens der Gemeinde Keutschach erstmals das Gebäude des Gasthauses „Alt-Wien“ nutzen.

Unser Hauptziel bestand in einer Zustandskontrolle der ehemaligen Pfahlbausiedlung auf der Untiefe mitten im See.  Vor allem die 2019 verlegten Erosionsschutzmatten sollten auf ihre Eignung und eventuelle Schäden begutachtet werden. Diese Matten – zwei verschiedene Kokosgeflechte, Jute und Naturkautschuk - bestehen aus reinen Naturmaterialien. Die Ausdehnung der vier Testmaterialien beträgt insgesamt 4 x 10 Meter und erstreckt sich damit auf einer Gesamtfläche von 40 m2. Zum Glück lagen alle vier Matten an Ort und Stelle und zeigten eine intakte Oberfläche, auf der sich sogar ein wenig Sediment abgesetzt hatte. Damit erfüllen sie ihren Hauptzweck vorbildlich, die darunter befindlichen, wertvollen Kulturschichten abzudecken und zu schützen. Dieser Schutz des Unterwasserdenkmals ist nämlich auch weiterhin dringend nötig, wie unsere Beobachtungen und Messungen heuer zeigten:

Es befand sich nur sehr wenig Mulm und anderes Decksediment auf der Oberfläche der Untiefe. Zahlreiche Steinplatten und Kulturschichten mit darin enthaltenen Keramikscherben und Hölzern lagen relativ offen dar. Deutlich sichtbar waren leider auch wieder frisch abgebrochene Pfahlköpfe, die – trotz des bestehenden Angelverbotes - durch Angelsehnen abtrennt worden waren. Um einige Pfähle waren immer noch abgerissene Angelsehnen und Blinker zu erkennen.  Von den unter Wasser auf der Untiefe gespannten Sperrleinen war eine an der Nordseite durch gröbere Gewalt durchgerissen worden. Wie jedes Jahr haben wir Angelsehnen und Blinker als Beweis für das fortwährende Angeln in diesem Gebiet eingesammelt. Das System der Sperrleinen ist von uns ersetzt und erweitert worden.

Insgesamt befand sich nur sehr wenig Bewuchs an den Schmalseiten der Untiefe, die ansonsten von dichtem Laichkraut bedeckt waren.  Wie auch in den Vorjahren sind in tieferen Lagen des Hanges sechs bis sieben große Ruhegruben von Großfischen beobachtet worden. Bedenklich ist nur, dass sie immer ausgeprägter werden und ab einem bestimmten Zeitpunkt die Stabilität des Hanges gefährden. Neu hinzugekommen sind zwei dieser Ruhemulden direkt auf der Kuppe der Untiefe, also im Bereich der noch vorhandenen Kulturschicht. Eine davon ist bis zu 50 cm tief und durchschlägt alle Schichten und Hölzer.

Auch die Ablesung der Erosionsmarker erbrachte wenig erfreuliche Daten: Seit der Einbringung der Messmarker (2014-2015) fehlen auf allen vier Fluchten zwischen 2 und 16 cm Sediment. Es gibt keine einzige Stelle, an der Sediment hinzugekommen ist.

All diese Beobachtungen und Messungen zeigen die Dringlichkeit weitere Schutzmaßnahmen. Zusammen mit dem Bundesdenkmalamt werden wir gemeinsam adäquate Maßnahmen planen.  Unsere nächste Tauchkampagne ist im Mai 2021 geplant.

Auch in diesem Jahr organisierte die Site Managerin Dr. Lieselore Meyer einen Informationsnachmittag. Auf dem Gelände des öffentlichen Seezugangs neben der Gaststätte „Alt-Wien“ konnten sich Interessierte mit den Fachleuten vor Ort unterhalten. Ein Höhepunkt waren sicherlich die zeitgleich durchgeführten Drohnenflüge über der Fundstelle durch Mag. Cyril Dworsky. Die von der Drohne gemachten Bilder konnten sich die Besucher*innen gleich live vor Ort ansehen und so einen ganz neuen Blick auf die urgeschichtliche Fundstelle werfen.

Unser herzlicher Dank geht an die Eigentümerinnen des Keutschacher Sees, die Familie Meßner, die Gemeinde Keutschach am See, die Keutschacher Wasserrettung sowie Peter Kauftisch vom FKK- Großcamping Sabotnik für die tatkräftige logistische Unterstützung. Wir hoffen auch weiterhin sehr, dass Angler und Fischer das ausgesprochene Angelverbot in diesem Gebiet einhalten und keine Haken oder Anker durch das Denkmal ziehen. Dies macht – von der direkten Gefährdung der Siedlungsreste einmal abgesehen – auch die getroffenen Schutzmaßnahmen zunichte, da die Matten herausgerissen werden könnten.

Zugehöriges Projekt

Die besondere Lage der Welterbe-Siedlung im Keutschacher...

Henrik Pohl ist als Site Manager des Kuratoriums Pfahlbauten in Oberösterreich für das UNESCO-Welterbe der Prähistorischen Pfahlbauten zuständig.

Forschungstaucher bei der Arbeit.
Aktueller Zustand der 2019 verlegten Erosionsschutzmatten.
Offen liegende Kulturschicht mit Keramik und Hölzern ohne Abdeckung.
Pfahlfeld und Erosionsmarker auf der Oberfläche der Untiefe.
Eine neue Ruhemulde zerstört Schichten und Hölzer.
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Kommentare

Gespeichert von Mario Mohar am

Super geschrieben, als Pächter eines Seegrundstücks liebe ich den See inkl. seines Weltkulturerbes. Seh schade das einige Fischer sich über Verordnungen weiterhin hinwegsetzen.
Ps.: ich hoffe doch das die nächste Betauchung im Mai 2021 und nicht wie geschrieben 2019 sein wird, Zeitreisen sind ja bekanntlich etwas schwierig ;)

Danke für den tollen Beitrag.
Liebe Grüße

Gespeichert von cyril am

Danke für das Lob und natürlich auch für den Hinweis auf den Fehler. Wenn, dann würden wir natürlich gleich ins Jahr 3947 v. Chr. zurückreisen wollen und nicht nach 2019. Sonst müssten wir ja womöglich auch noch 2020 noch einmal erleben! 
Die Anlage in Keutschach hat tausende Jahre überstanden, aber leider müssen wir immer wieder erleben, dass die Menschen innerhalb weniger Jahre irreversiblen Schaden anrichten nur um uneingeschränkt Fischen zu können. Wir haben schon genug Sorgen mit der natürlichen Erosion, sodass diese zusätzlichen Schäden umso unnötiger sind. 

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Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

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