13.04.2024 - 14:30

Die Ernährung der Pfahlbaubewohner:innen am Keutschacher See

Mehr Kulturgüterschutz in der Lehre!

15. Juni 2016

Vor einer Weile hat uns ein E-Mail des Dachverbandes Archäologischer Studierendenvertretungen (DASV) erreicht, mit der Bitte, einen offenen Brief über unsere Kanäle zu verbreiten. In diesem fordert der DASV die Einbindung von Kulturgüterschutz in die universitäre Lehre. Dieses Thema hat für uns eine besondere Tragweite, denn immerhin besteht eine unserer zentralen Aufgaben im Schutz der von uns betreuten UNESCO-Welterbestätten. Wir haben die Studierenden also eingeladen, im Pfahlbauten-Blog ihre Position darzulegen. Da wir nicht immer die Meinungen teilen, die in unserem Blog gepostet werden, wollen wir eines klarstellen: Die Forderung der Studierenden, das Thema des Kulturgüterschutzes umfassend in der Lehre zu verankern, halten wir für mehr als berechtigt. Wir unterstützen sie ausdrücklich. (Red.)

Wir brauchen mehr Kulturgüteschutz in der Lehre! Seit unserer Gründung auf der Internationalen Fachschaftstagung (IFaTa) 2012 in Berlin setzten wir, die AG Kulturgüterschutz des Dachverbandes Archäologischer Studierendenvertretungen uns für den Kulturgüterschutz ein und klären darüber auf. Vor allem durch soziale Medien erfahren wir, wie stark das Interesse an dieser Thematik ist, merken aber auch gleichzeitig die Diskrepanz zu den Kenntnissen darüber. Dies wollen wir vor allem aus studentischer Sicht ändern und verlangen, dass der Kulturgüterschutz Einzug in die Lehre aller archäologischen Institute im deutschsprachigen Raum hält.

Jüngst haben wir dazu einen offenen Brief verfasst, in dem wir Vorschläge formulieren, wie dieser so essentielle Aspekt in die Lehre eingebettet werden kann. Am 29.10.2016 werden wir in Berlin mit Hilfe von TOPOI in deren Vortragsaal außerdem die  Tagung  „Jenseits von Palmyra. Kulturgüterschutz in der Lehre“ mit anschließender Diskussionsrunde abhalten. Hierzu laden wir alle Interessierten jetzt schon recht herzlich ein!

Wir finden es wichtig, dass der Kulturgüterschutz bereits von Studienbeginn an thematisiert und schon in den einführenden Veranstaltungen behandelt wird. So werden Student*innen von vorn herein für diese Angelegenheiten sensibilisiert. Aber das Interesse dafür sollte nicht nur geweckt, sondern auch gefördert werden.

Einige Dozent*innen äußerten sich als Reaktion auf unseren Brief in der Weise, dass es schwierig bis unmöglich sein wird, den Kulturgüterschutz als Themenblock in die (über)vollen Lehrpläne zu packen. Wir sehen das anders:  Es ist notwendig und ein langfristiges Ziel für uns, den Kulturgüterschutz in den Modulhandbüchern und Studienordnungen fest zu verankern, denn die Kenntnis über Gesetze, mögliche Ansprechpartner und Modalitäten im Kulturgüterschutz sind eine zwingende Voraussetzung, um den Beruf der*des Archäolog*in verantwortungsvoll ausüben zu können.

Dass das aber nicht nur notwendig ist, sondern auch ohne größeren Aufwand gelingen kann, zeigt das Beispiel der Universität  Marburg. Dort müssen alle Student*innen beim Anmelden ihrer Abschlussarbeiten die „Marburger Erklärung” unterschreiben, in der sie sich verpflichten ihre im Studium erworbenen Fachkenntnisse nur im Einklang mit der UNESCO-Konvention zum Kulturgüterschutz von 1970 und dem ICOM-Code of Ethics zu nutzen. Kulturgüterschutz ist dort immer wieder Gegenstand in Veranstaltungen sowie die Thematisierung zum Umgang mit Sondengänger*innen.

Im Wintersemester 11/12 wurde beispielsweise eine Sitzung einer Vorlesung zum Neolithikum unterbrochen, um den Umgang mit den Resten der in den Novemberpogromen niedergebrannten Neuen Synagoge zu behandeln. Hier fängt für uns auch die sogenannte „qualifizierte Lehrkraft“ an: Bei der Bereitschaft das eigentliche Vorlesungs- bzw. Seminarthema (kurzfristig) nach hinten zu stellen, um über aktuelle Problematiken innerhalb der Archäologie zu diskutieren. Im aktuellen Sommersemester wird in der Christlichen Archäologie eine Übung angeboten, in der konkret die aktuelle Situation in Syrien bearbeitet wird.

Am Beispiel  Marburgs wird somit deutlich erkenntlich, dass es entgegen der Bedenken einzelner Dozent*innen in der Praxis keine allzu großen Probleme bereitet, den Kulturgüterschutz in der Lehre und in der Folge auch fest in Modulhandbüchern und Studienordnungen zu integrieren Wenn dies gelänge, wäre nicht nur sichergestellt, dass alle Student*innen die Möglichkeit erhielten, im Zuge ihrer universitären Ausbildung auf diesem Gebiet Kenntnisse zu erwerben, die für ihren Arbeitsalltag unverzichtbar sind. Es bestünde darüber hinaus so auch eine Nachweismöglichkeit für potentielle Arbeitgeber*innen, dass sich die von ihnen eingestellten Archäolg*innen mit dieser wichtigen Thematik tatsächlich auseinander gesetzt haben.

Aber: Step by step. Auf den Kulturgüterschutz kann auch eingegangen werden, ohne gleich das ganze System durchzurütteln. Es können und sollten, zukünftig in Referaten und Hausarbeiten verstärkt Fragen zur Provenienz bestimmter Stücke aufgegriffen werden. Auch universitäre Sammlungen sollten stets kritisch beleuchtet werden. Beispielsweise könnte innerhalb einer Zeichenübung mit Objekten der eigenen Sammlung deren Herkunft näher betrachtet werden. In Jena finden regelmäßig Seminare statt, in denen zuletzt mit Keramik eine Art Objektbiografie rekonstruiert wurde. Vortragsreihen, Lesezirkel oder Diskussionsrunden sind ebenfalls attraktive Möglichkeiten aktuelle Ereignisse zu Kulturgüterschutz und Denkmalpflege zu besprechen. Denn nicht nur in Ägypten und Syrien gibt es leider massenweise Fälle von Raubgrabungen, sondern auch im europäischen Raum.

Der in Deutschland „prominenteste“ Fall der letzten Zeit dürfte wohl der sogenannte „Barbarenschatz von Rülzheim“ sein. Dieses Sommersemester findet dazu ein Seminar von einem Anwalt und Archäologen an der Tübinger Universität statt: "Das (inter-)nationale Problem der Raubgräberei in archäologischer, rechtlicher und politischer Dimension - Einzelansicht". Durch das Abhandeln solcher Vorkommnisse im universitären Rahmen würde schon während des Studiums ein Problembewusstsein für die Auswirkungen solch illegaler Handlungen erzeugen.

Und noch viel wichtiger: Wie können Ereignisse dieser Art zukünftig vermieden werden? Man kann natürlich von seinem Elfenbeinturm herab gegen Sondengänger*innen wettern. Oder aber mit ihnen zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam die Geschichten erforschen, die vor allem die Befunde und zumeist seltener die Funde erzählen.

Mittlerweile gibt es einige Möglichkeiten für Interessierte sich ehrenamtlich zu engagieren. Diesem Engagement in Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt haben sich einige Student*innen der FU Berlin mehr oder minder zufällig angeschlossen, nachdem sie bereits selbst eine „Feldbegehungs-AG“ gegründet haben. Die Student*innen lernen so nicht nur die archäologische Praxis kennen, sondern können sich auch regelmäßig mit dem Denkmalamt und den Ehrenamtlichen austauschen.

Leider wird diese Initiative von der Universität nicht so unterstützt, wie seitens der AG gewünscht. Räumlichkeiten für regelmäßige AG-Treffen, um die Begehungen auszuwerten und die Funde zu waschen, werden nicht zur Verfügung gestellt. Auch den institutseigenen Bus kann die AG für ihre Feldbegehungen nicht nutzen. Somit wird  der AG  ihre Arbeit erschwert, anstatt die Interessen und das Engagement der Studierenden zu fördern. Bei solchen Kollaborationen wäre es für die Zukunft erstrebenswert auch Landeskriminalämter mit ins Boot zu holen, wie es der DASV bereits an der IFaTa 2013 in Marburg und zuletzt 2015 bei der Berufsmesse für Archäologiestudierende ARCHAEOworks³ in Berlin getan hat.

Die Fachschaftentagung in Marburg 2013 stand ganz unter der Devise des Kulturgüterschutzes und den Abendvortrag gestaltete ein Polizeihauptkommissar, der diese Thematik aus polizeilicher Sicht beleuchtete. Es wurde nicht nur auf die Gesetzeslage eingegangen, sondern vor allem auf deren Umsetzung in der Praxis anhand von Fällen von Raubgrabungen und illegalem Antikenhandel. Ein ähnlicher Vortrag fand auch auf der Berufsmesse ARCHAEOworks³ innerhalb des Themenblocks Kulturgüterschutz statt. Auf diese Weise können Archäolog*innen, Landesdenkmalämter und Landeskriminalämter sich besser vernetzen und von der Expertise der anderen profitieren.

Wir wünschen uns bei unserem Vorhaben, den Kulturgüterschutz fest in der Lehre zu verankern, möglichst viele Unterstützer*Innen und freuen uns über Anregungen, Fragen, Kritik unter ag_kulturgueterschutz@dasv-ev.org.

Aktuelle Informationen zum Thema sind auf unseren Facebook-Seiten:
https://www.facebook.com/DASVev/?ref=aymt_homepage_panel
https://www.facebook.com/archaeoworks/ zu finden.

Christiane Ochs gehört zum Vorstand des Dachverband Archäologischer Studierendenvertretungen (DASV).

AG-Treffen während der IFaTa in Münster 2015 (Bild: Andreas Elsener)
AG-Treffen während der IFaTa in Münster 2015 (Bild: Andreas Elsener)
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